Herdecke. Wechsel beim Herdecker Brotkorb: Gründerin Irmingard Schewe-Gerigk kandidierte nach 7 Jahren nicht mehr als Vorsitzende. Keine Ausgabe nach Flut.

Lob und Dank von der Schirmherrin, dazu die Wahl als Ehrenvorsitzende: Bei der Jahreshauptversammlung des Brotkorbs Herdecke kandidierte Gründerin Irmingard Schewe-Gerigk nicht mehr als Vorsitzende. Das soziale Engagement der 73-Jährigen würdigte dann Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster in einer Laudatio, es folgten ein Stadtgutschein-Geschenk und Blumen.

Neue Brotkorb-Vorsitzende in Herdecke ist Gabriele Langer. Die bisherige Kassiererin sagte nach ihrer einstimmigen Wahl mit Blick auf ihre Vorgängerin, dass Irmingard Schewe-Gerigk große Fußstapfen hinterlassen habe. Sie wolle sich wie ihre Vorgängerin („Sie ist ein Riesen-Vorbild“) ebenfalls sehr engagieren, für Mitglieder und Kunden gleichermaßen da sein.

Alle anderen Vorstandsmitglieder kandidierten für eine Wiederwahl, sie wurden einstimmig in ihren Ämtern bestätigt. Das eingespielte Vorstands-Team muss nun organisatorische Fragen klären. Trotz zügiger Aufräumarbeiten steht die Ausgabestelle an der Hauptstraße vorerst nicht zur Verfügung. Das Hochwasser beschädigte handgefertigte Regale („Es tut weh, diese ‘rauszureißen“), an den Wänden zeichne sich Schimmelbildung ab. Voraussichtlich stehen zur gewohnten Ausgabezeit am nächsten Mittwoch nur Restbestände und unbeschädigte Waren vor der Tür, die sich Kunden abholen können. Wie es weitergeht, ist offen.

Schewe-Gerigk bleibt dem Verein als Rechnungsprüferin erhalten und nahm unter reichlich Applaus auch die Ernennung – ohne Gegenstimme – zur ersten Ehrenvorsitzenden des Brotkorbs an.

Wie erinnern Sie sich an die Gründung des Herdecker Brotkorbs?

Irmingard Schewe-Gerigk Es gab damals einige Widerstände und Zweifel. Es hieß: Hier leben viele Reiche – Herdecke braucht so etwas doch nicht. Das war für mich ein Schlüsselsatz, um den Brotkorb zu gründen. Damals lag Herdecke auf Platz zwei bei den NRW-Einkommensmillionären. Als Vorsitzende des Sozialausschusses wusste ich aber, dass es hier auch vergleichsweise arme Bürger gibt, etwa 1500 Hartz-IV-Bezieher, Geflüchtete oder Rentner mit einer niedrigen Altersversorgung. Sie alle haben einen Anspruch auf Unterstützung. Oder anders: Doch, wir brauchen einen Brotkorb!

Im November 2013 erfolgte die Gründung eines gemeinnützigen Vereins. Wie ging es weiter?

27 Leute kamen in die Altenstube. Diese Resonanz hat mich überrascht. Vom Brotkorb Wetter motivierten uns die leider 2018 verstorbene Inge Holland und Dieter Ullrich. Wir mussten bei Null anfangen, hatten keinen Ausgaberaum und keinen Cent. Dafür aber ehrenamtliches Engagement. Dankenswerterweise stellte uns Familie Dittmar das Erdgeschoss in der Hauptstraße 106 kostenlos zur Verfügung, die Mark-E übernahm den Strom und die Stadt den Müll. Die Mitglieder holten in ihren Autos dann verzehrbare Lebensmittel ab, die die Supermärkte nicht mehr verkaufen. Ein toller Start, von Anfang an kamen Kunden. Wir merkten schnell: Wir werden gebraucht. Erst recht, als 2015 viele Flüchtlinge nach Herdecke kamen und das Sozialamt viele auf den Brotkorb hinwies.

Wie hat sich der Brotkorb dann weiter entwickelt?

Wir mussten immer wieder unser System anpassen. Es hat aber eigentlich immer funktioniert, auch wenn es manchmal schwerfiel. Mittlerweile kennen wir fast alle unsere Kunden persönlich, wissen von Krankheiten oder nötiger Hilfe. Ich denke, dass der Brotkorb viel zur Integration beigetragen hat. Das wurde mir bewusst, als ich die Bewerbung für den Herdecker Heimatpreis schrieb und einreichte.

Diesen erhielt der Brotkorb im Jahr 2020 mit zwei weiteren Einrichtungen. Wie bewerten Sie diesen Preis?

Das ist eine Auszeichnung für die Gruppe. Viele Mitglieder sind ja seit der Anfangszeit dabei. Alleine hätte ich das nie geschafft. Der Brotkorb ist aus meiner Sicht ein wichtiger Bestandteil der Stadt geworden, das merken wir durch Spenden der Kirchen oder von Privatleuten. Ein tolles Gefühl ist es auch, wenn Schüler für uns sammeln. Bald wollen wir nach einem Jahr Corona-Pause auch unsere Ein-Teil-Mehr-Aktion wieder aufleben lassen. Wobei uns die Pandemie vor viele Herausforderungen stellte, unsere Mitglieder zählen ja fast durchgängig zur Risikogruppe. Aber eine Schließung kam für uns nicht infrage, wir haben neue Wege und Lösungen gefunden, etwa die Ausgabe nach draußen verlegt, Tüten vorgepackt und unser Personal reduziert.

Wie blicken Sie nun auf ihre Zeit als Brotkorb-Vorsitzende zurück?

Damals wollte ich „mein Kind“ eigentlich nur zum Laufen bringen. Dann hat mir die Arbeit mit den Mitgliedern und der Kundschaft so viel Freude bereitet, dass daraus sieben Jahre wurden. Nun muss ich wie ein Elternteil lernen, dieses Kind laufen zu lassen. Immer noch werden tonnenweise Lebensmittel weggeworfen. Der Herdecker Brotkorb leistet weiter einen kleinen Beitrag zur Besserung dieses Problems, wodurch wir übrigens auch die CO2-Belastung reduzieren. Wir unterstützen also weiter bedürftige Menschen und zeigen so ein freundliches Gesicht der Stadt Herdecke.