Herdecke. Der Abschied aus Herdecke und vom Brotkorb fällt schwer: Livi Hogan aus Atlanta in den USA hat sich in ihrem Austauschjahr ehrenamtlich engagiert

Mit knapp 16 ist sie nach Herdecke gekommen und war überrascht, wie schwer es für ein Mädchen in ihrem Alter sein kann, in Deutschland eine soziale Aufgabe zu finden. Dann fiel Birgit Sieweke, Gastmutter der Austauschschülerin aus USA, der Brotkorb ein. Seit dem Jahreswechsel etwa hat Livi Hogan hier das getan, was sie aus ihrer Heimatstadt Atlanta kennt: als Schülerin ganz selbstverständlich etwas für andere Menschen unternehmen.

Die Gastmutter zählt nicht zum Team des Brotkorbs, und sie hat auch nicht schon mal Lebensmittel an der Verfallsgrenze hier abgegeben. „Aber der Brotkorb war mir ein Begriff. Ich wusste, wo das ist.“ Über eine Mail kam der Kontakt zustande. Livi Hogan konnte sich an der Ausgabestelle an der Hauptstraße vorstellen – und selbst in der Kürze der Zeit heimisch werden.

Keine Angst mehr vor der Sprache

Die erste Aufgabe war noch einfach: Lebensmittel waren mit Blick auf das Verfallsdatum zu sortieren. Dafür musste sie nur mit dem Datumsaufdruck klar kommen, und der ist einigermaßen international zu verstehen. Dann musste sie mit der Besucherliste an die Tür, den Zugang regeln. Und mit den Wartenden reden. Auf Deutsch. Zum Glück waren das nicht die ersten Tage im fremden Land mit der anderen Sprache, sagt sie. Und so war Livis Angst schnell verflogen.

„Die Menschen waren einfach so nett“, berichtet Livi über die Menschen, die in der Garagenzufahrt auf einen preiswerten Einkauf gewartet haben. Und nicht wenige konnten mit eigenem Wissen oder eigenen Erfahrungen über die Vereinigten Staaten ein Gespräch am Laufen halten. Mal ganz abgesehen von den Menschen, die aus Ländern nach Deutschland geflohen sind, in denen Englisch die Landessprache ist: Die kleinen Töchter einer Nigerianerin waren ganz begeistert, mal wieder mit jemandem zu reden, der selbstverständlich „ihre“ Sprache spricht.

Herdecke ist Teil einer großen Stadt

„Cool war das“, sagt Livi Hogan und ist traurig über das plötzliche Aus ihres Engagements: Die Austauschorganisation, mit der sie nach Deutschland gekommen ist, hat alle Schülerinnen und Schüler zur Heimreise aufgefordert. Corona. Livi sitzt auf gepackten Koffern, während sie von ihren Mittwochseinsätzen im Brotkorb berichtet und dem, was sie in der Heimat für andere getan hat. Über die Schule war organisiert, dass sie bei einer Abgabestelle Kleidungsstücke für Bedürftige vorsortiert hat.

Es gibt viele Formen des Austauschs

Austausch mit dem Ausland ist auf diverse Arten möglich.

Viele Programme gehen über ein Jahr, manche nur über ein halbes Jahr, andere über nicht mal zwei Monate.

Häufig haben die Gasteltern für die Zeit der Aufnahme eines Gastkindes auch ein eigenes Kind ins Ausland gegeben.

Livi Hogan war mit dem Verein Experiment im Austausch.

Wenn sie zurück ist in Atlanta, will sie sehen, ob es in der 500.000-Einwohner-Metropole auch so etwas wie einen Brotkorb gibt. Dann ist sie sofort dabei. Als zurückgekehrtes Großstadtkind wird sie sich dabei nicht fühlen, auch wenn Herdecke gerade mal den zwanzigsten Teil an Einwohnern aufbieten kann. Aber hier gingen die Städte ja nahtlos ineinander über und formten damit eine große Stadt, sagt Livi Hogan, und in Atlanta sei dafür der Übergang ins ländliche Drumherum ziemlich nahtlos.

Die überstürzte Abreise soll kein endgültiges Adieu sein. „Vielleicht komme ich ja nächstes Jahr zurück“, sagt sie. Und wäre dann als Gast wie auch als Helferin beim Brotkorb jederzeit willkommen. Denn Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende des Brotkorb-Vereins in Herdecke, ist begeistert von dem einsatzfreudigen Teenager aus dem amerikanischen Süden. Als Bundestagsabgeordnete war sie zuständig für das Austauschprogramm des Bundestages und hat immer wieder erlebt, „dass die Austauschschüler als andere Menschen wieder gekommen als sie gestartet sind.“

Hoffnung auf ein Wiedersehen

Würde das Livi Hogan auch über sich selbst sagen? „Ja“, lautet ihre Antwort. Wenn man auf einmal ohne Familie, Freunde oder die gewohnte Umgebung da stehe, dann verändere einen das. „Ich kenne mich jetzt selbst mehr und weiß, was ich vom Leben will: Reisen, Menschen kennenlernen.“ An ihre Begegnung mit Menschen in Deutschland erinnert sie ein Buch, das ihr Irmingard Schewe-Gerigk als Dankeschön mit auf den Heimweg gegeben hat.

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Es handelt sich um ein Kochbuch von Henriette Davidis in englischer Sprache. Die große deutsche Kochbuchautorin aus Wengern hat es für Deutsche verfasst, die nach Amerika ausgewandert sind. „Ich habe es von einem Besuch in USA mitgebracht“, hat Irmingard Schewe-Gerigk ins Buch hinein geschrieben, verbunden mit dem Wunsch für ein Wiedersehen.