Herdecke. . Mittwochs gibt es hier mehr als Lebensmittel: Mika Delijevic kommt schon früher, um sich zu unterhalten und Kontakt zu halten.

Mika Delijevic ist immer unter den ersten. Von ihrer Wohnung an der Wetterstraße hat sie es nicht weit bis zu der Garageneinfahrt an der Hauptstraße, die zum Herdecker Brotkorb führt. „Ein bisschen laufen, ein bisschen Luft“ sagt sie über ihr Mittwochsmorgen-Programm. Ein bisschen Leute treffen könnte sie hinzufügen.

82 Jahre wird Mika Delijevic im April alt. In Bosnien wurde sie geboren. Mit 19 hat die orthodoxe Christin im Kosovo einen Muslim geheiratet. Vier Kinder hat sie zur Welt gebracht. Die älteste Tochter starb als Kleinkind. Ein Kind lebt heute am Bodensee, eins mit Familie Auf den Brennen in Herdecke, und auch ihr „kleiner Sohn“ ist mittlerweile schon 47 Jahre alt und wohnt am Niederrhein.

Zugekauft wird auch

Die Kinder waren es, die sie vor einem Vierteljahrhundert nach Deutschland geholt haben. In der Heimat war Krieg. Da war ihr Mann schon viele Jahre tot. „Nein“, sagt sie, gearbeitet hat sie in Herdecke nicht mehr. War immer für die Familie da. 300 Euro habe sie zum Leben sagt sie voller Dank für das Sozialamt, das zudem Miete und Strom bezahlt. Große Sprünge lassen sich mit dem Auszahlungsbetrag nicht machen. Und doch ist der billige „Einkauf“ im Brotkorb nicht der einzige Grund, warum Mika Delijevic jeden Mittwoch zum Handwagen greift und dafür sorgt, dass sie als eine der ersten auf der Listen steht, die den Zutritt erlauben.

Einen mehr symbolischen Preis von einem Euro kassieren die Mitarbeiter pro Portion ab. An diesem Mittwoch, dem letzten vor Weihnachten, liegen Spekulatius, Kaffee, Orangen und Walnüsse in den vorgefüllten Plastikkörben. „Sehr weihnachtlich ist das heute“, weiß Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende des Herdecker Brotkorbs. Wer keinen Kaffee mag, kann dafür auch Tee bekommen. Und meist wissen die Mitarbeiter auch ohne erneute Nachfrage, wem sie kein Schweinefleisch geben sollen. Die Religionen ziehen da unterschiedliche Grenzen, sofern die Brotkorbkunden eine Religion leben.

Wie ihr Mann sind auch die Kinder von Mika Delijevic Moslems. Weihnachten gefeiert wird morgen „Auf den Brennen“ trotzdem. Und vielleicht steuert die Oma ja etwas bei, was sie im Brotkorb mitnehmen durfte. Meist sind es Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeit in Kürze abläuft. Aber der Brotkorb kauft auch zu, und so stapeln sich Zucker und Reis in einem Lagerraum. Und während Mika Delijevic erzählt, stellt ein Mann einen Korb mit gespendeten Lebensmitteln in dem kleinen Büroraum ab.

Zwei Wochen Pause

Am letzten Mittwoch vor Weihnachten gibt es ein wenig andere Sachen und ein wenig mehr. Wegen der Feiertage in dieser und der nächsten Woche öffnet sich erst am 9. Januar wieder die Tür zum Brotkorb. „Zweimal muss ich nicht arbeiten“, scherzt Mika Delijevic und es wird deutlich, dass sie sich wohl fühlt unter den anderen Kunden und den Mitarbeitern. Wenn sie früh kommt, muss sie trotzdem bis um zehn Uhr warten, wenn nach Liste eingelassen wird. An der Seite der Garageneinfahrt steht eine Bank, bei Regen schützt eine Markise. „Wir machen das ein bisschen nett hier“, sagt Irmingard Schewe-Gerigk. Beim Warten lässt sich dann plaudern, von den Entwicklungen im Städtchen, aber auch von der alten Heimat. Mika Delijevic hat eine Landsmännin aus dem Kosovo gefunden, die sich an diesem Morgen als Übersetzerin angeboten hat. Aber am Ende managt das Mika Delijevic mit den Antworten allein, erzählt von der freundlichen Aufnahme bei den Mitarbeitern des Brotkorbes und lacht. Die Landsmännin ist einiges jünger als die Seniorin. „Sie ist wie eine Mama für mich“, sagt sie und streichelt Mika Delijevic über den Arm. Dann stehen Beide auf. Der Handwagen will gefüllt werden.