Wetter. Kontaktbeschränkungen stellten die jungen Frauen vor eine zusätzliche Herausforderung. Lockdown-Folgen werden zudem in deren Familien erwartet.

„Die Corona-Krise hat uns nicht umgehauen und nicht demotiviert.“ – Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Desinfizieren: Die Pandemie hat natürlich auch Auswirkungen auf den Alltag in der Mädchen-Arrestanstalt. Im Gespräch ziehen Sozialamtsfrau Elisabeth Coerdt, Justizvollzugsamtsinspektorin Sabine Kennemund und Anstaltsleiter Till Deipenwisch eine Zwischenbilanz und wagen eine vorsichtige Prognose.

Schutz vor Ansteckung

Seit dem Ausbruch des Virus hat der Schutz vor Ansteckung oberste Priorität in der Arrestanstalt an der Gustav-Vorsteher-Straße. Zunächst wurde der Betrieb für drei Monate komplett eingestellt, dann wurde er wieder aufgenommen – mit den entsprechenden Maßnahmen. Tatsächlich gab es bislang keinen Corona-Fall – weder unter den Mädchen noch unter den Bediensteten. Maskenpflicht und Desinfizieren spielen dabei eine große Rolle, doch auch die Kontaktbeschränkungen unter den Mädchen sind ein wichtiger Baustein. Aber genau das stellt die jungen Frauen vor eine zusätzliche Herausforderung.

Unterhalten an geöffneten Fenstern

„Das ist erstaunlich gut gelaufen. Die haben das recht gut akzeptiert“, erklärt Elisabeth Coerdt und Sabine Kennemund stimmt zu: „Wir haben mit viel mehr Schwierigkeiten gerechnet.“ In den Abschlussgesprächen, schildert Sozialamtsfrau Elisabeth Coerdt, würden die Mädchen nun langsam preisgeben, wie schwer ihnen das falle. Etwas aufgefangen werde der reduzierte Kontakt dadurch, dass sie sich, mehr als sonst, an geöffneten Fenstern unterhalten dürften. Wobei, so betont Anstaltsleiter Till Deipenwisch, die Unterschiede natürlich den Mädchen, die nicht zum ersten Mal da gewesen seien, besonders auffallen würden.

Einen positiven Effekt sieht Elisabeth Coerdt im Hinblick auf das Thema Lernen im Arrest. Vermutlich durch Homeschooling seien Lehrer schneller bereit gewesen, Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen. „Dann waren die Mädchen natürlich auch aufgrund der Kontaktbeschränkung bereit, sich mehr damit zu beschäftigen.“

Folgen für häusliche Situation

Andererseits und auch wenn Anstaltsleiter Till Deipenwisch darauf hinweist, dass es bereits zuvor häufig Auffälligkeiten bei den Mädchen gegeben habe, bestimmt die Hälfte schon Probleme gehabt habe und viele ohnehin nicht „auf Rosen gebettet“ seien, machen sich alle drei keine Illusionen, was die Folgen des Lockdowns im Hinblick auf die häusliche Situation der jungen Frauen sein können. „Ich rechne natürlich damit, dass es mehr Schulprobleme, häusliche Gewalt und wirtschaftliche Schwierigkeiten in den Familien geben wird“, so Elisabeth Coerdt. In dem Kontext nennt sie Stichworte wie fehlende technische Möglichkeiten, kein vernünftiges Wlan, räumliche Enge, Arbeitslosigkeit der Eltern, fehlende Ausweichmöglichkeiten und stärkere Belastung. „Da rechne ich damit, dass da noch etwas auf uns zukommt.“ Justizvollzugsamtsinspektorin Sabine Kennemund stimmt ihr zu: „Das sind ja Sachen, die wir gar nicht auf dem Schirm haben.“ Bange seien sie allerdings nicht. „Wir gucken einfach, was kommt. Die Corona-Krise hat uns nicht umgehauen und nicht demotiviert.“ Das sieht der Anstaltsleiter nicht anders. Er rechnet mit einer Herausforderung. Aber: „Wir sind entsprechend ausgestattet, das händeln zu können.“

Weitere Betreuung nach Arrest

An der Stelle kommt künftig unter anderem das fallbezogene Übergangsmanagement ins Spiel. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine punktuelle weitere Betreuung nach dem Arrest als Impuls für die Mädchen am Heimatort – also in gesamt NRW. Dabei sollen Verbindungen zu zukünftigen Kontaktpersonen in verschiedenen Bereichen geknüpft und etwaige Hemmschwellen abgebaut werden. Es geht beispielsweise um Kontakt zu Beratungsstellen, zu Ämtern, zu Therapieeinrichtungen oder auch zu Wohngruppen. Die Sozialarbeit sei ein sehr breites Arbeitsfeld. Es müssten Netzwerke aufgebaut werden und das dauere natürlich, weiß Elisabeth Coerdt. Aber: „Ich sehe das alles als eine sehr lohnende Maßnahme an.“

Personalien

Elisabeth Coerdt (63), Diplom-Sozialarbeiterin und Sozialamtsfrau, ist seit 31 Jahren im Justizvollzug und seit 18 Jahren in der Mädchen-Arrestanstalt in Wetter tätig. Dafür ist sie extra in den EN-Kreis gezogen. Sabine Kennemund (59) ist als Justizvollzugsamtsinspektorin seit nahezu 33 Jahren „immer hier“ in der Arrestanstalt an der Gustav-Vorsteher-Straße tätig. Till Deipenwisch (47) leitet seit 2016 die Mädchen-Arrestanstalt und ist gleichzeitig Direktor des Amtsgerichts in Wetter.