Herdecke. In den Tagesthemen erklärt Katja Strauss-Köster, wie sie als Bürgermeisterin in Herdecke angefeindet wird. Und wirbt für eine neue Internetseite.

Fast 2,5 Millionen Zuschauer verfolgten am späten Donnerstag die Tagesthemen in der ARD. Tags darauf meldeten sich beispielsweise auch Leser aus Mallorca in der Lokalredaktion und wiesen darauf hin, dass in dieser TV-Nachrichtensendung Herdeckes Bürgermeisterin eine prominente Rolle gespielt habe. Obendrein bei einem sehr interessanten Thema.

In der Mediathek des Fernsehsenders können Nachzügler ab Minute 17 sehen, wie Katja Strauss-Köster mit Beleidigungen und Bedrohungen umgeht. Als Amtsperson erlebte sie zwar keinen tätlichen Angriff wie Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2015 oder Amtskollege Andreas Hollstein 2017 in Altena (beide kommen in dem Beitrag ebenfalls zu Wort). Doch auch die Herdeckerin berichtet von verbalen Entgleisungen, die sie über Handy, Brief oder E-Mail erreichen. Und liest ausschnittsweise vor, wie jemand sie beispielsweise als „asoziale Schlampe“ titulierte oder ihr Gewalt androhte. Das geschah den Angaben zufolge auch vor dem Rathaus und der Privatwohnung.

Belastend, aber nicht weglaufen

„Das belastet schon, aber wir müssen als Politiker ein dickes Fell haben“, sagt die Bürgermeisterin. „Sie können ja nicht bei jeder Bedrohung sofort die Flucht antreten. Aber wenn es meine Familie angeht, ist eine Grenze deutlich überschritten.“ Den Ernst der Lage schildern die Fernsehleute auch anhand des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 sowie rechtsextremistischer Motive.

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Grundsätzlich, so hatte es Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni eingeleitet, sehen sich immer mehr Kommunal-Verantwortliche solchen Situationen in Deutschland ausgesetzt und denken demnach wegen fehlenden Schutzes über einen Rücktritt nach. Daher unterstütze Bundespräsident Walter Steinmeier nun das Internetportal „Stark im Amt“, das diesem Thema eine neue Sichtbarkeit verleihen soll und Kommunalpolitiker Hilfe anbiete. „Hass gefährdet die Grundfesten unserer Demokratie“, sagt das Staatsoberhaupt und denkt neben Bürgermeistern auch an Gemeinderatsmitglieder.

Diese neue Unterstützung für Mandatsträger sei ein ebenso erfreulicher Aspekt wie die Reaktionen vieler Bürger. Katja Strauss-Köster erklärt, dass sie nach Hasskommentaren im Internet zahlreichen Zuspruch von vielen Herdeckern erhalte. Das helfe enorm.

Solidaritätsbekundungen

Am Tag nach der Ausstrahlung sagt Strauss-Köster auf Anfrage, dass sie viele Reaktionen und Solidaritätsbekundungen auf den TV-Beitrag hin erhalten habe. Der Tenor lautete meist: starker Beitrag, Respekt. Ihr sei das Thema wichtig, daher habe sie – im Gegensatz zu anderen Bürgermeistern – dem Kamerateam ihre Sicht der Dinge geschildert.

Donnerstagabend, Nachrichten: In der ARD liest Herdeckes Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster Hasskommentare von ihrem Handy vor.
Donnerstagabend, Nachrichten: In der ARD liest Herdeckes Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster Hasskommentare von ihrem Handy vor. © Screenshot

Zudem relativiert sie: „Wenn beispielsweise Kinder Mobbing erfahren, ist das aus meiner Sicht schlimmer, denn ich kann mich vergleichsweise wohl besser wehren und muss das wegen meines Jobs auch mal aushalten“, sagt die Bürgermeisterin. Ihr gehe es um einen Diskurs, was eine vermeintliche Verrohung der Gesellschaft angeht. In den sozialen Medien geschehe genau das. Auf ihrer Facebookseite melden sich aber demnach auch permanent Kommentatoren, die sie nach Angriffen mit Argumenten verteidigen.

Mit leicht zwiespältigen Gefühlen blickt sie auf den Tagesthemen-Beitrag, und zwar wegen der Vermengung von unterschiedlichen Vorfällen. Eine Bedrohung („Ich polier’ dir die Fresse“) habe eine andere Dimension als ein politisch motivierter Mord. „Das betrachte ich persönlich als sehr weiten thematischen Sprung. Es ist einerseits richtig, dass so etwas im Kleinen anfängt und sich in ungeahnte Ausmaße entwickeln kann. Andererseits gibt es auch Situationen, in denen jemandem die Nerven durchgehen und sich dann mit einer Entschuldigung alles bereinigen lässt.“

Einmal Gerichtsurteil angestrebt

Entsprechend begrüßt Katja Strauss-Köster auch die neue Internetseite. Die könne vor allem jenen helfen, die noch nicht lange im politischen Geschehen mitmischen und so Hinweise von erfahrenen Kollegen erhalten könnten. In Herdecke wiederum treffe es häufig sie als oberste Repräsentantin der Stadt. Bis zu einem gewissen Grad sei sie stets bereit für sachliche Diskussionen. In einem Fall aber habe sie eine juristische Entscheidung angestrebt, da eine Person sie konkret körperlich bedroht habe. Per Gerichtsurteil konnte sie eine Abstandswahrung durchsetzen.

Über dem Thema schwebe auch die Frage, inwieweit Mandatsträger Schwäche zeigen können. „Ich lasse mich aber nicht in eine Opferrolle drängen“, so die Bürgermeisterin. „Ich halte das selbstverständlich weiter aus, an einen Rücktritt habe ich noch nie gedacht. Ich will mich solchen Idioten ja nicht beugen.