Herdecke. Katja Strauss-Köster möchte die Stadt Herdecke möglichst unbeschadet durch die schwere Corona-Krise führen. Im Interview zieht sie Amts-Bilanz.

Im Jahr 2009 wurde Katja Strauss-Köster erstmals zur Bürgermeisterin in Herdecke gewählt. 2015 lag die parteilose Kandidatin erneut weit vorn. Wie ist ihre Bilanz? Mit welchen Ideen würde sie in eine neue Amtszeit gehen? Und was, wenn es nichts wird? Die Redaktion hat nachgefragt.

Sechs Jahre mit einer Drei-Parteien-Koalition im Rücken, fünf Jahre ohne klare Mehrheitsverhältnisse - was hat Herdecke besser getan?

Katja Strauss-Köster: Ich glaube, dass ein stabiles Parteienbündnis mit einer Verabredung von Projekten einer Stadt besser tut. Dann hat man eine verlässliche Leitlinie, kann Prioritäten setzen und auch Finanzen bündeln. Und die Verwaltung kann sich auch ein stückweit auf die Projekte fokussieren.

Das Quartier Ruhraue in der ersten Wahlperiode, jetzt die Beinahe-Fertigstellung des Wohnquartiers an der Ruhr - kann da noch Großes in einer dritten Amtszeit kommen?

Wir haben zwar in Ende noch das Wohnprojekt, aber es geht ja nicht nur um Riesenprojekte. Wir müssen uns vor allem auch den Bestand anschauen. Wir haben ganz wenig Wohnraum barrierefrei oder barrierearm – das habe ich jetzt beim Flyerverteilen gemerkt. Ich hatte Häuser von 25 Treppen bis zum Hauseingang bis zu 75! Für ältere Menschen, die in Herdecke bleiben wollen, ist es ganz schwierig, eine passende Wohnung zu finden. Das müssen wir gezielt angehen.

Der Umzug der Grundschulen hat für viel Unruhe gesorgt. Bei der Hugo-Knauer-Schule hält diese Unruhe noch an. War die Entscheidung heute betrachtet richtig?

Wir sind ja zum Handeln gezwungen worden. Die Vinkenbergschule hatte keine Anmeldungen mehr an dem Standort und hätte geschlossen werden müssen. Durch den Umzug hat sie auch in der Zukunft einen guten Bestand und, wie sich zeigt, ja sogar wachsenden Zulauf.

Ist es eine persönliche Niederlage, dass die Höchstspannungsleitung auch Ihrer Ablehnung zum Trotz weiter gebaut wird?

Ich bin natürlich traurig. Ich glaube schon, dass Herdecke städtebaulich auf Jahrzehnte belastet wird an manchen Stellen, auch Menschen werden dadurch stark beeinträchtigt. Ich bin da auch in Diskussionen mit manchen Bürgerinnen und Bürgern, die eben denken, das musste sein. Ich bin ja nicht gegen regenerative Energien – ganz im Gegenteil, aber ich wäre für eine Bündelung der Leitungen an der Autobahn gewesen.

Ist es vorstellbar, dass Sie noch einmal Boden für ein Wellness-Hotel am Ruhrufer sondieren?

Das wäre damals eine Chance gewesen für den Erhalt des Freibades. Aber durch die Fördergelder ist dieses Thema erledigt. Mit den 2,7 Millionen Euro Fördermitteln können und werden wir das Freibad aus eigener Kraft erhalten.

Ist es Herdecke geglückt, wieder stärker für junge Menschen attraktiv zu werden?

Wir wären noch attraktiver für junge Leute, wenn wir denen mehr Wohnraum zu günstigeren Preisen anbieten könnten. Wir sind attraktiv für junge Leute, aber ich höre das jeden Tag, dass jemand nach der Ausbildung oder dem Studium zurückkehren will nach Herdecke und nichts Bezahlbares findet. Durch die neuen Wohngebiete an der Ruhr, am ehemaligen Begegnungszentrum in Westende sowie am Bahnhof konnten wir in den vergangenen Jahren wieder Flächen anbieten, ohne dafür Grünflächen opfern zu müssen.

Haben Sie eine Idee, wo all das Geld herkommen soll, dass die Stadtkasse wegen Corona nicht einnehmen kann?

Das werden wir aus eigener Kraft einsparen müssen. Wir werden wegen Corona von Bund und Land ein wenig Ersatz bekommen. Das wird aber bei Weitem nicht ausreichen, die Ausfälle zu kompensieren. Daher merkt man auch an meinem Wahlkampf: Ich verspreche nichts, was ich nicht auch halten kann. Wir müssen versuchen, Herdecke lebens- und liebenswert weiter zu erhalten. Wir müssen neue und innovative Wege gehen. Einen Schnellschuss in Richtung Kanalnetzübertragung wird es mit mir nicht geben, vorher müssen alle Vor- und besonders die Nachteile sehr sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Andere Ideen der Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung können Synergieeffekte bringen, aber auch hier gilt Sorgfalt vor Schnelligkeit. Wo wir besser werden können: Es gibt derzeit ganz viele Fördermöglichkeiten. Die müssen wir finden und mitmachen.

Vor Corona haben einige Traumstädte die Zahl der Besucher eindämmen wollen. Können Sie sich vorstellen, dass Herdecke dem Zulauf besonders am Wochenende Grenzen setzen möchte?

Der Zulauf ist ja zunächst ein Riesenkompliment für unsere Stadt. Als wir Westfalia geplant haben, gab es die große Befürchtung von Leerständen in der Stadt. Und davon gab es damals schon viele. Aktuell haben wir nicht einen. Da kommt Hochmut vor dem Fall – wir müssen die Corona-Krise abwarten. Die vielen Menschen von außerhalb allerdings sorgen mit dafür, dass unsere Gastronomie gut verdienen kann und unsere Einzelhändler Umsätze haben. Dem einen oder anderen mag das im Sommer zu voll sein unten an der Ruhr, aber insgesamt haben wir das doch gut im Griff. Auch der Heimatcheck der Lokalredaktion hat mir gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wo würden Sie sagen, habe ich einen richtigen Fehler gemacht?

Fehler macht jeder Mensch jeden Tag – aber den einen, großen? Das kann ich jetzt gar nicht sagen, weil ich mich ja dauernd rückkopple, bei den Bürgerinnen und Bürgern und meinem Super-Team in der Verwaltung, die mir schon sagen, wenn ich mich vergaloppiere.

Was soll Ihnen in der nächsten Amtszeit unbedingt gelingen?

Die Stadt unbeschadet durch diese schwere Krise führen und weiter unsere Qualitäten wie Zusammenhalt, gesellschaftliches Engagement oder Ehrenamt zu erhalten und den Einzelhandel, die Firmen vor Ort. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise kommen ja jetzt erst, durch die Kurzarbeit und Arbeitslosenzahlen– da ist es umso wichtiger, dass die Bürgerschaft nicht auseinander driftet.

Wenn es mit der Wahl diesmal nicht klappt - wie ist der Plan B?

Ich habe in der Tat ein paar Jobangebote. Das hatte ich wirklich vor jeder Wahl. Ich arbeite allerdings auch schon, seitdem ich denken kann, ohne Auszeit. Vielleicht würde ich mir die mal für zwei oder drei Monate gönnen und mich ganz auf die Familie, das Kochen, den Garten beschränken – auch wenn ich mir nicht richtig vorstellen kann, von 180 auf Null zu gehen. Das müsste ich dann lernen.

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