Herdecke. Fels aus Ruhrsandstein: Das Boulder-Gebiet Avalonia im Zillertal in Herdecke lockt immer mehr Kletterer an. Das führt gelegentlich zu Konflikten.
Lange galt das Klettergebiet Avalonia als Geheimtipp. Auch diese Redaktion berichtete im November 2018 erstmals in größerer Aufmachung über das Gelände im Herdecker Zillertal nahe der Stadtgrenze Wetter. Ortskundige können aber längst die vielen auswärtigen Nummernschilder an den Autos zuordnen, die vor allem am Wochenende und bei gutem Wetter gegenüber vom Cuno-Kraftwerk parken.
Erst vor wenigen Tagen zählte ein Augenzeuge Dutzende Fahrzeuge, die sich vor der Absperrung an der Landesstraße 675 befanden. Die derzeitige Hangsicherung in den Klippen oberhalb des Harkortsees hat für die Kletter-Gäste aus nah und fern einen Vorteil: Wegen des Durchfahrverbots können sie ihre Wohnmobile, Campingwagen und ähnliches vor der Baustelle schon mal länger stehen lassen.
Damit zu den Folgeerscheinungen. Manche wollen nämlich in der Nähe des Waldstücks, in dem der Ruhrsandstein Kletternden gute Bedingungen bietet, auch übernachten – sei es im Zelt oder in einem Fahrzeug. Kurz: wild campen. Das ist verboten, so die Stadt Herdecke auf Anfrage. „Das Ordnungsamt kennt die Situation und überlegt, wie sich das regeln lassen könnte“, sagt Sprecherin Lena Siegel.
Je mehr Menschen sich an einer Örtlichkeit aufhalten, desto größer das Konfliktpotenzial. Diese Binsenweisheit kann Marc Klute bestätigen, der mit seiner Familie den Minigolfplatz im Zillertal betreibt. „Es kommen Jahr für Jahr mehr Leute zum Klettern hier hin. Mit einigen gibt es öfter mal Diskussionen wegen deren Verhalten“, meint er. Und betont: „Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Manche sind echt in Ordnung und benehmen sich anständig. Andere wiederum machen Ärger, sind frech oder sogar aggressiv.“ Das führte beispielsweise am vergangenen Samstag zu einem Polizeieinsatz, wie Vera Viebahn als Sprecherin der EN-Behörde bestätigte. „Die Kollegen wurden wegen einer Auseinandersetzung gerufen, konnten vor Ort dann aber keine Feststellung machen.“
Ein Problem: sanitäre Anlagen
Die Klutes müssen sich vor allem mit zwei Themen beschäftigen: sanitäre Anlagen und Müll. Wer nach dem Freizeitvergnügen in den Felsen seine Notdurft verrichten muss, fragt schon mal am Minigolfplatz an. Mal gestattet es die Familie, je nach Lage der Dinge auch nicht.
Ärgerlich sei auch, dass mehr Abfall entstehe. „Einige räumen den weg und nehmen ihn mit, anderen lassen den Müll arglos liegen oder werfen ihn auf unser Grundstück“, sagt Marc Klute, der sich für ein verstärktes Eingreifen der Behörden ausspricht. „Das ist teilweise nicht mehr normal, was hier alles passiert. Ich verstehe aber, dass das mitunter schwer zu kontrollieren ist.“
Artikel in Bodo und Internet-Video
Dass immer mehr Leute zum Bouldern, wie das Klettern ohne Sicherung per Seil oder Gurt heißt, nach Herdecke kommen, liegt auch an einigen Veröffentlichungen. Kürzlich erschien beispielsweise ein großer Artikel im Ruhrgebiets-Straßenmagazin Bodo. In dem Text dreht sich vieles um Daniel Pohl, der mit verschiedenen Steinkonstruktionen das Waldstück zum Kunstgebiet Avalonia gestaltete. Der Reporter berichtet zudem, dass sich dort Leute auch auf Französisch, Türkisch, Arabisch, Flämisch, Tibetisch und natürlich Englisch unterhalten.
Letztgenannte Sprache hilft, um den Film „Stone Locals“ zu verstehen. Dieses 111-minütige Video mit deutschen Untertiteln, das die Seele des Felskletterns zum Thema hat, haben auf der Internetplattform Youtube fast 1,5 Millionen Nutzer gesehen. Nach kurzer Zeit schon geht es um Bouldern in Herdecke und um Pohls Kunstprojekt Avalonia, später dann um vier weitere Kletterer in den USA und Japan.
Der aktuelle Vorsitzende des Boulderclubs Ruhrtal, dem das Areal mit dem Deutschen Alpenverein gehört, wollte sich wegen „Umstellungen im Verein“ aktuell nicht zu den Entwicklungen äußern.