Herdecke. Unterm Dach der Buchhandlung Herdecke ist es sehr beengt. Trotzdem soll es wieder Begegnungen mit guter Literatur geben. Also ab ins Onikon.

Pi mal Daumen 1000 Jahre deutsche Lyrik wollte Michael Helm eigentlich in diesen Abend pressen. Jetzt kommt erst mal Irland dran. Und auch die Veranstaltungsreihe „Literatur im Dachgeschoss“ müsste eigentlich nach einem neuen Etikett suchen. Literatur vor der Leinwand würde aktuell besser passen: Um die grüne Insel am Rande Europas drehen sich nun Texte und Erinnerungen im Kino Onikon. Dennoch: Zu Corona-Zeiten muss die Buchhandlung Herdecke andere Wege gehen, wenn sie Publikum erreichen will. Und der Dichter und Rezitator aus Herdecke auch.

Viermal im vergangenen Jahr und einmal zu Beginn 2020 ist Michael Helm unter dem Dachgeschoss der Buchhandlung in der unteren Hauptstraße aufgetreten. Beengt war es. Und erfolgreich. Alle 24 Plätze waren bei allen fünf Veranstaltungen ausverkauft. Kaum vorstellbar, dass so viele Menschen in das Kämmerchen gepasst haben. Ein Tisch, drei Stühle und ein paar Kisten mit Büchern finden momentan hier Platz. Eine öffentliche Veranstaltung zu Corona-Zeiten mit den entsprechenden Abstandsregeln: Michael Helm und Inka Beermann könnten nur sich selbst begrüßen. Ende der Fahnenstange.

40 Gäste würden reichen

Neuer Aufzug: Das Kino Onikon hat 88 Plätze. Gut gelüftet und mit Mundschutz bei allen Zuhörern wäre das schon eine Hausnummer. Aber 40 Gäste an diesem Donnerstag, 1. Oktober, wären Inka Beermann schon genug. Dann könnte auf jeden die erste Reihe frei bleiben. Was wichtig wäre, „weil Michael vorne ganz schön ‘rumspuckt.“ Michael Helm kommt offensichtlich in Bewegung, wenn er Texte liest und spricht. Beim Irland-Abend werden es Literaturhäppchen von anderen Autoren und eigene Reiseberichte sein.

Literarische Reise an diesem Donnerstag

Karten für 12 Euro (ermäßigt 10 Euro) gibt’s in der Buchhandlung Herdecke. Die literarische Reise 2020 startet jetzt am Donnerstag, 1. Oktober, 19.30 Uhr, im Onikon an der Goethestraße 14.

Michael Helm ist 50 Jahre alt, in Herdecke groß geworden und hierhin wieder zurück gekehrt.

Er hat Lehramt studiert und sich 2002 mit der Literatur, dem Vortragen fremder und eigener Texte, selbstständig gemacht.

Im November soll es erneut „Literatur im Dachgeschoss“ heißen, auch wenn vermutlich wieder das Onikon das Dachgeschoss ersetzen muss.

Auf dem Programm steht Mark Twain – der richtige für diese Zeit. „Twain war ein großer Humorist“, sagt Michael Helm. Das passt im Winter, und hilft zu Corona-Zeiten auch.

Die Gedichte aus 1000 Jahren deutscher Lyrikgeschichte will Helm später mal nachholen. „Irland passt gerade gut“, sagt er. „Weil wir alle nicht wegkommen“ wegen Corona, will er „das Reisegefühl ins Kino Onikon holen.“

Irische Autoren will er dabei zu Wort kommen lassen, dazu Menschen, die Irland bereist haben, und auch seinen eigenen Impressionen von der grünen Insel wird er Raum geben. Auf den Spuren von Heinrich Böll ist er gewesen, hat ein in sich zusammengesunkenes Dorf im gleichen Zustand vorgefunden wie schon der spätere Literaturnobelpreisträger in seinem „Irischen Tagebuch“. Auch von einem gälischen Footballspiel will Michael Helm berichten. Eine Mischung aus Football und Fußball habe er da erlebt. Mit dem ersten Guinness in der Hand hat er die Regeln auch verstanden. „Die dürfen den Ball in die Hand nehmen“, sagt er, „und treten.“ Nicht nur den Ball, lacht Inka Beermann. Über den Witz hinaus ist sie froh, in Corona-Zeiten wieder ihre Veranstaltungsreihe mit Michael Helm aufnehmen zu können. Und sie dankt dem Onikon fürs schnelle Mitmachen.

Auch interessant

Froh ist aber auch Michael Helm. Das Onikon kennt er noch aus seiner Jugend. Jetzt flimmert nicht „The Wall“ von Pink Floyd über die Leinwand, jetzt darf er dort endlich wieder vor Publikum stehen. Viermal seit dem Lockdown war ihm das bisher erst möglich. Zweimal „open air“, schließlich auch noch zweimal im Saal. Aber unter was für Bedingungen! 50 bis 80 Zuhörer haben sonst in den Raum in Ostwestfalen gepasst, in dem er oft schon aufgetreten ist. Jetzt waren es höchstens 40. Keine gemütlichen Kerzen, keine großartigen Kontakte. „Das ist schon alles ganz anders“, sagt er über die Künstlergefühle im Herbst mit Corona.

Chance zum Erlebnis

Auch das Publikum empfindet diesen Verlust. Aber es nutzt die Chance zum Erlebnis. „Die Menschen sind froh, dass sie wieder kommen dürfen“, hat Michael Helm erfahren, „die waren lange genug zuhause.“ Jetzt will er ihnen ein gutes Gefühl geben. Durch die Reise mit den Texten all der großen, schreibenden Iren – und dem Sicherheitsabstand im Onikon.