Wetter. Die Flüchtlingshelfer Beate Gesien und Siegfried Jankowski unternehmen seit Jahren viel in Wetter, damit Yodet Weldgebrale ihren Sohn holen kann.

Dies ist die Geschichte einer erfolglosen Familienzusammenführung. Und eines schon vier Jahre währenden Kampfes gegen Bürokratie, Behörden und Botschaften um einen Jungen namens Yohannes (8). Er lebt in Kairo bei einem fremden Betreuer statt bei seiner eigenen Mutter Yodet Weldgebrale (27) in Wetter. Beate Gesien und Siegfried Jankowski, beide ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert, haben alle erdenklichen Hebel in Bewegung gesetzt, damit das Kind zu seiner Mutter kann – bislang vergeblich.

„Seit dem 8. Dezember 2016 sind wir damit beschäftigt, das Kind, das die Mutter bei ihrer gefährlichen Flucht aus Eritrea zurücklassen musste, nach Deutschland zu holen“, sagt Siegfried Jankowski. Und dann erzählt er von der jungen Frau, die vor dem Militärdienst in Eritrea in den Sudan floh, wo sie Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung wurde, bevor man sie zurück nach Eritrea jagte. „Dort hat sie im September 2011 Yohannes bekommen, ein Vergewaltigungskind“, erklärt der 87-jährige Wetteraner. Irgendwann versucht Yodet erneut die Flucht. Sie ist mittellos und weiß, dass sie den kleinen Jungen auf der gefährlichen Reise nach Europa nicht mitnehmen kann. Also lässt sie ihn bei der Schwester, die ebenfalls in den Sudan geflohen war. „Nachdem ihr diesmal die Flucht gelungen und sie endlich hier angekommen war, wollte sie ihren Sohn zu sich holen. Doch damit begann das Drama; denn das Kind hat keine Dokumente, nur eine Geburtsbescheinigung“, so Beate Gesien.

Was tun? „Bei unseren anfänglichen Kontakten hieß es, der Junge braucht wenigstens eine Registrierungsnummer des UNHCR. Aber niemand konnte mit ihm zum nächstgelegenen UNHCR-Camp fahren“, erzählt Beate Gesien. Die Helfer aus Wetter ermöglichen der jungen Frau einen dreiwöchigen Aufenthalt bei der Schwester im Sudan. „Es wurde Zeit, sich bei dem Jungen sehen zu lassen, weil er anfing, seine Mutter beschimpfen und zu ignorieren. Sie wollte ihm Mut machen, dass sie ihn nicht vergisst. Während dieser Zeit sollte Yodet mit einem Schreiben an den damaligen Außenminister Sigmar Gabriel bei der Deutschen Botschaft in Khartum versuchen, einen Asylantrag für Yohannes zu stellen. Dort gewährte man ihr aber keinen Zutritt“, so die Wetteranerin weiter.

Dann verlässt die Schwester den Sudan, das Kind blieb bei einem Freund zurück. „Dieser Mann und seine ägyptische Freundin, die immer zwischen dem Sudan und Ägypten pendelte, haben den Jungen schließlich in einem Karton verpackt nach Kairo geschmuggelt. Nachdem dort ein Visumsantrag gefordert wurde, wollte die Botschaft wissen, wo der Vater des Kindes ist. Yodet sollte ihn suchen, obwohl Yohannes ein Vergewaltigungskind ist. Das war alles so absurd. Wir haben die Visumsgebühr bezahlt, ohne dass sich etwas getan hätte. Über die Caritas in Witten sind wir schließlich auf einen Rechtsanwalt gestoßen, der sich auf Flüchtlingsfragen spezialisiert hat.“ Der erste Schriftwechsel erfolgt am 8. Dezember 2016, vor vier Jahren. Doch auch der Jurist kommt nicht weiter; sein Honorar stottert die junge Frau von dem wenigen ab, was sie hat.

Hilfegesuch an Heiko Maas

„Vier Jahre lang haben wir privat wie auch juristisch alles unternommen, was man unternehmen kann. Passiert ist nichts. Die deutsche Botschaft in Kairo blockiert“, sind die beiden Ehrenamtler überzeugt. Schriftliche Appelle und Hilfegesuche schickten sie an den heimischen Europaabgeordneten Professor Dr. Dietmar Köster ebenso wie an Bundesaußenminister Heiko Maas. Sie holten den Ex-Landtagspräsidenten Uli Schmidt ins Boot, wandten sich an den weltweit agierenden Verein Pro Asyl. Vergeblich. „Das Fatale ist, dass das Kind keinen Pass hat. Und dass die Behörden erwarten, dass Yodet das Dokument in der Botschaft in Eritrea besorgt. Aber wenn sie das tut, bringt sie sich selbst und den Rest ihrer Familie, der dort lebt, in Lebensgefahr. Pro Asyl hat gesagt, es sei unzumutbar, dass Yodet das tut“, berichtet Beate Gesien weiter. Dabei habe auch die Ausländerbehörde in Schwelm die Familienzusammenführung befürwortet, und ein mittlerweile existierender DNA-Test beweise, das Yodet und Yohannes Weldgebrale Mutter und Kind sind.

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„Letztlich geht es um das Wohl des Kindes und sein Recht, bei der Mutter zu sein. Ich habe in meinem Brief an die Botschaft in Kairo geschrieben, dass sie ihrem Herzen einen Ruck geben und dem Kind die erforderlichen Papiere geben sollen“, so Siegfried Jankowski, der sich seit Jahren väterlich um Yodet Weldgebrale und ihren zweiten, 2016 in Deutschland geborenen Sohn Armin kümmert. Auf den Brief hat er bis heute keine Antwort. „Sie holen Kinder aus Griechenland, die niemanden haben. Yohannes hat aber eine Mutter. Warum kann er nicht kommen? Bloß weil ein einziges Dokument fehlt?“, fragt der 87-Jährige und schüttelt den Kopf. „Die bürokratischen Hürden stehen in keinem Verhältnis mehr zu den ganzen Anstrengungen, die wir als Ehrenamtliche unternehmen, damit dieses eine Kind nicht irgendwann als ganz verkorkster junger Mann hier ankommt. Und das macht mich so wütend“, wirft Beate Gesien ein. Sie spricht von einem Totalversagen der Botschaft, „die nur ein Tagesvisum für Yohannes ausstellen müsste, damit er zu seiner Mutter kann. Hier könnte er dann Asyl beantragen.“ Die zermürbenden, weil am Ende erfolglosen Bemühungen um die Zusammenführung von Mutter und Kind sind für sie schon lange nicht mehr nachvollziehbar: „Man dreht sich irgendwann nur noch im Kreis. Was stimmt denn eigentlich mit den Menschen nicht?“