Herdecke. Es geht zur Sache auf mehreren Baustellen von Amprion in Herdecke. Neben dem Mastbau läuft nun der Seilzug für die neue 380-Kilovolt-Stromtrasse.
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Herdecker können seit Wochen im Stadtgebiet zahlreiche Arbeiter beobachten, wie diese im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers Amprion die neue 380-Kilovolt-Stromtrasse auf vielfältige Art und Weise bauen. Die zuständige Sprecherin Mariella Raulf sowie Projektleiter Stefan Blödow geben einen Überblick über den Status quo und erklären an drei Örtlichkeiten, worauf es im Einzelfall ankommt.
Der Ablaufplan
Seit April 2019 laufen die von der Bezirksregierung genehmigten Bauarbeiten zwischen den Umspannanlagen Dortmund-Kruckel und Hagen-Garenfeld. Amprion hat die Passage gegliedert. Die erste Anknüpfung zur Stadtgrenze Witten ist seit Februar fast fertig. Viel Betrieb herrscht derzeit in Ende auf dem Schnee, am Semberg, Schraberg, im Gahlenfeld sowie am Herrentisch. „Wir haben diesen Abschnitt dem Teilstück rund um das Koepchenwerk trotz der Abhängigkeiten vorgezogen, da wir dort auf mehreren Baustellen aktiv sein können“, sagt Raulf. Grundsätzlich bedarf es vieler Abstimmungen mit anderen Leitungsinhabern (wie hier Enervie, AVU, Westnetz, Deutsche Bahn), um Passagen freizuschalten. „Die Bauzeiten sind begrenzt und witterungsabhängig“, so die Amprion-Sprecherin. Blödow betont mit Blick auf die für die Region wichtigen Versorgungsstromkreise Herdecke Süd und Nord: „Es darf hier während der Arbeiten keinen Black-out geben.“
Unterdessen haben Bauarbeiter bereits die 220-Kilovolt-Trasse (in 110 kV betrieben) von Amprion zwischen dem Koepchenwek und Kruckel fast komplett demontiert sowie ein Provisorium installiert. Ein Rückbau steht final für die lange Leitung von RWE vom Umspannpunkt Ende in der Erdbrügge über den Kermelberg/Appelsiepen bis hin nach Essen-Eiberg an. „Die brauchen wir dann mit der 380-kV-Inbetriebnahme nicht mehr. Die Arbeiten dazu im Raum Herdecke sollen überwiegend 2020 enden.“
Der Mastbau
Von Kruckel bis zum Koepchenwerk stehen bald insgesamt 24 neue Masten und ersetzen Vorgängermodelle. Aktuell laufen viele Arbeiten im Waldstück am Herrentisch, wo eine Schneise Flora und Fauna verdrängte. „Hier wenden wir unser Biotop-Management an, in dem es auch um Artenschutz geht“, erläutert Raulf und nennt als Beispiel künftige Steinhaufen für Eidechsen. Auf der Höhe des RWE-Oberbeckens montieren Angestellte des beauftragten Generalunternehmens einen so genannten Donaumasten (benannt nach einem Modell aus dem Jahr 1927 und einem Tannenbaum ähnlich), über den demnächst auf drei Traversen die 380-kV- und eine 110-kV-Leitung führt. „Der wird rund 75 Meter hoch, damit wir über die Bäume hinweg das Speicherbecken anbinden“, erklärt Blödow.
Die örtliche Begebenheit bestimmt das Ausmaß: Je mehr Platz zur Verfügung steht, desto breiter und niedriger (zum Beispiel auf einem Kamm) können theoretisch die Stahlkonstruktionen werden. Zu beachten seien Sicherheitsabstände für die Leiterseile, wobei sich die höchste Spannung meist oben befindet. Grundsätzlich, so ergänzt Raulf, stehen in Herdecke bald höhere Masten als bisher, um Leitungen auf mehreren Ebenen bündeln zu können. Zum Einsatz kommen hier hauptsächlich recht schmale Tonnenmasten, die in bis zu 450 Metern Entfernung zueinander stehen können. „Auch dabei bedarf es viel Planung und kleinteiliger Schritte, da wir zahlreiche Auflagen einhalten müssen, erst recht auf privaten Grundstücken“, sagt der Projektleiter, während eine Kolonne mit oft zehn Arbeitern die Einzelteile vom Lkw ablädt und bald zusammenbaut. Regelmäßige Kontrollen – intern wie extern – plus ökologische und geologische Begleitung gehören demnach ebenso dazu.
Der Seilzug
Im Gewerbegebiet Gahlenfeld zeigen oberhalb der Brückenkonstruktion so genannte Rollenleinen an, dass der Seilzug begonnen hat. Auch Kletterer sind vermehrt seit einigen Tagen zu sehen. Die Methode: Die neue Leitung (32 Millimeter Durchmesser, außen Aluminium, ein Stahlkern im Inneren) an der alten befestigen und über Laufräder ziehen. Klingt einfach, ist laut Blödow aber „Millimeterarbeit für die Monteure. Sie haben beim Anbringen eine Toleranzgrenze von 15 Zentimetern, um Abstände zum Boden einzuhalten.“ Damit meint er vor allem das Durchhängen der Leitungen, wofür es Werte in einer Tabelle gebe.
Arbeiten an Stromtrasse in Herdecke laufen auf Hochtouren
Der technische Projektleiter warnt schon mal prophylaktisch vor so genannten Seilpeitschen: „Demnächst kann es vereinzelt zu irritierenden Geräuschen kommen, wenn auf einer Ebene Leiterseile aneinanderschlagen. Die sollen gestuft aufgehängt werden, manchmal können sie sich aber je nach Windbedingungen treffen.“ Der Krach erklärt sich auch anhand des Gewichts: Ein Meter Leiterseil wiegt zwei Kilo. Es gilt, vier dieser Verbindungen zusammenzuführen. Zwischen Ende und Herrentisch dürfte der Seilzug, der Anfang Juli begann und schon so eine Art „Königsdisziplin“ sei, ca. zehn Wochen dauern.
Die Fundamente
An die Erdarbeiten auf Herdecker Stadtgebiet kann Amprion bald einen Haken setzen, nachdem die Bezirksregierung auch letzte Eigentumsfragen über Besitzeinweisungen (wenngleich wegen Corona verspätet) klären konnte. „Dabei setzen wir je nach Örtlichkeit und Baugrunduntersuchung auf Stufen- und Plattenfundamente oder Bohrpfähle.“ Direkt auf dem Kamm neben der Straße Auf dem Schnee beispielsweise geht es an vier Stellen 3,50 Meter in den Boden hinein. Bohrpfähle befinden sich andernorts schon mal 15 Meter in der Tiefe. „Je felsiger das Gelände, desto länger dauert es“, berichtet Blödow. „Manchmal fördern Bagger Überraschungen zutage, so dass wir umplanen müssen.“
Auch interessant
Wasser etwa kann ein Problem darstellen. So schaute sich die zuständige Behörde des Ennepe-Ruhr-Kreises vor einigen Wochen die Baugrube in der Erdbrügge an. „Ungefähr 2000 Kubikmeter Wasser haben wir dann dort ordnungsgemäß abgepumpt und den Abschlussbericht vorgelegt“, so der Amprion-Projektleiter.