Wetter. Axel Fiedler im Gespräch über den Wandel der Seniorenarbeit in Wetter in den letzten 25 Jahren. Es gibt vielfältige Angebote für viele Bedarfe.
Eines schickt Axel Fiedler im Gespräch vorweg: „Die Senioren gibt es nicht.“ Denn der Altersunterschied zwischen den jungen Alten, die gerade mal 60 sind, und den Hochbetagten mit über 90 beträgt locker 30 Jahre und mehr. Als der Senioren- und Behindertenbeauftragte der Stadt Wetter 1997 von der Stadtjugendpflege in den Seniorenarbeit wechselte, war dieser Bereich noch sehr übersichtlich, wie er sich erinnert.
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Die Pflegeversicherung war erst zwei Jahre alt, und in der Harkortstadt gab es 24 (!) Altenclubs „mit einer Großzahl von bis zu 100 Mitgliedern“. „Damals“, erinnert sich Fiedler, „bestimmten die Clubs die Seniorenarbeit in Wetter. Meine Aufgabe war es, sie zu unterstützen.“ Heute existieren nur noch acht Clubs – Tendenz abnehmend. „Der Bedarf hat sich ganz anders entwickelt. Das liegt nicht daran, dass die Clubs schlechte Arbeit machen, sondern Senioren haben heute andere Interessen“, weiß Fiedler. Früher habe sich die ältere Generation zur gemeinsamen Freizeitgestaltung getroffen. „Heute hat Seniorenarbeit viele verschiedene Facetten, ist vielschichtiger geworden. Einige wollen Sport treiben, andere sich mit Neuen Medien beschäftigen. Wo es solche Angebote wie einen Handytreff nicht gibt, vermittle ich. Auch die Pflege-, Betreuungs- und Wohnformen sind differenzierter geworden. Als ich anfing, gab es zwei ambulante Pflegedienste und zwei Heime. Inzwischen gibt es neben mehreren Heimen und Pflegediensten auch Tagespflegeangebote, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen. Alles ist vielfältiger geworden, und es ist gut, dass es dieses breite Angebot gibt.“
Recht auf Teilhabe
Durch die 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention hätten sich, so stellt Axel Fiedler fest, seine Arbeitsbereiche noch einmal spürbar weiter entwickelt. Denn Inklusion und das uneingeschränkte Recht auf Teilhabe betreffen eben nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch viele Senioren. „Beide Bereiche greifen oft ineinander über, sind miteinander verwoben. So rückt etwa bei Senioren auch Barrierefreiheit immer mehr in den Fokus, was der demographischen Entwicklung sehr entgegenkommt. Denn die Menschen werden immer älter.“ Das wiederum führe dazu, dass die Pflegeberatung – oftmals in Kooperation mit dem Forschungsinstitut Technologie und Behinderung – einen zunehmend größeren Teil seiner Arbeit ausmache. „Corona hat zwar zu einem Knick in dieser Entwicklung geführt, aber wir fangen jetzt langsam mit den Hausbesuchen wieder an.“
Auch Informationsweitergabe stehe heute ganz weit oben, vor allem wenn es um Vorsorge- und Betreuungsvollmachten oder Ähnliches gehe. Als eine von nur wenigen Städten im Umkreis habe Wetter einen Arbeitskreis Hilfeanbieter, der vor Jahren mit fünf Anbietern gestartet sei und an dem sich aktuell über 24 beteiligten. „Das zeigt ebenfalls, dass das Angebot immer vielfältiger wird“, so Fiedler. Aktuell arbeiten er und sein Team an einem Pflegewegweiser, in dem alle Angebote in Wetter gesammelt werden sollen – von der Gartenarbeit über Einkaufsdienste bis hin zum ambulanten Pflegedienst. Ende des Jahres soll die informative Broschüre fertig sein. Die Zielgruppe der jungen Alten finde dagegen im halbjährlich erscheinenden Veranstaltungskalender unterschiedlichste (Freizeit)Angebote – vom Boulen über Skat- und Grillnachmittage bis hin zum Tagesausflug.
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Viele Angebote, viele Hilfen - also alles gut bei alten Menschen in Wetter? Nicht ganz, wenn man Axel Fiedler fragt. Denn es mangelt etwa an barrierefreiem Wohnraum und einer zentralen Stelle bzw. einem Kataster, in dem solcher Wohnraum dokumentiert wird. Allein: Zur Erstellung und zur Pflege eines solche Katasters fehle es an personellen Ressourcen. Ebenfalls wichtig für die Zukunft: „Barrierefreiheit muss immer weiter in den Köpfen verankert werden. Darauf sollten schon junge Familien achten, wenn sie bauen. Und ganz besonders sollten Bürger, die umbauen, auf Barrierefreiheit achten.“ Im Pflegebereich fehle es ganz klar an Personal, für das Fiedler mehr Anerkennung und eine bessere Bezahlung fordert. Hier sei der Staat gefragt, diese Entwicklung zu forcieren. Und Roboter seien da nicht die Lösung: „Man muss schon genau hinschauen, was ein Roboter leisten kann und welche Leistung unbedingt vom Menschen erbracht werden sollte.“
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Dass die Stadt Herdecke in Bezug auf ihre Einwohner zu den ältesten Städten Nordrhein-Westfalens gehört, ist nicht neu. Aktuell zählt die Ruhrstadt (Stand 31. Mai 2020) insgesamt 23.819 Bürgerinnen und Bürger; davon sind 6.356 über 64 Jahre alt. Brigit Krause und Michael Guhr von der Pflegeberatung der Stadt Herdecke geben Antworten auf unsere Fragen.
Warum leben besonders ältere Menschen gern in Herdecke?
Herdecke verfügt über eine gerade für Seniorinnen und Senioren sehr gute, quartiersübergreifende Infrastruktur. Beispielhaft stehen hierfür die ärztliche Versorgung, Apotheken, Lebensmittelgeschäfte und natürlich auch Pflegeeinrichtungen mit ihren umfangreichen Angeboten. Nicht zu vergessen der hervorragende Freizeit- und Erholungswert der Stadt zwischen den beiden Ruhrseen.
Was sind die wichtigsten bzw. herausragenden Angebote für Senioren hier vor Ort?
Seit Jahren arbeitet die Stadt Herdecke konsequent an Ausbau und Verbesserung der städtischen Seniorenarbeit. Kernbereiche sind zum einen die Pflegeberatung, die u.a. Unterstützung bei Fragen zur Pflegebedürftigkeit oder zu Schwerbehindertenangelegenheiten bietet, als auch der Bereich des Veranstaltungswesens. Hier lassen sich vielfältige Angebote über den „Seniorenkalender“ entdecken, seien es Tagesausflüge, Informationen zu Altenclubs und diverse ehrenamtliche Angebote.
Was ist Ihrer Erfahrung nach das größte bzw. drängendste Problem alter Menschen in Herdecke?
Das ist schwer zu definieren. Wichtig für viele Senioren ist die gesicherte Versorgung im Falle der Pflegebedürftigkeit im eigenen Haushalt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, wie z.B. ausreichende Kapazitäten ambulanter Pflegedienste und ein funktionierendes Netzwerk an Kümmerern (Familie, ehrenamtliche Angebote, etc.). Soziale Kontakte im Alter sind außerdem wichtig, um sich wohl und integriert zu fühlen. Grundsätzlich stellt altengerechter, barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum ein nicht zu unterschätzendes Problem dar, was nicht zwingend am „knappen Budget“ liegt, sondern an teils sehr hohen Kosten entsprechender Wohnungen.
Es gibt viele Wohn- und Lebensformen für alte Menschen, von der Senioren-WG bis hin zum generationenübergreifenden Wohnen. Was suchen Herdecker Senioren bevorzugt?
Besonders „gutes betreutes Wohnen im eigenen Haushalt“ zu fairen Konditionen wird angefragt. In der Regel können wir hier behilflich sein und die benötigten Kontakte herstellen.