Wie einfach ist es eigentlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Herdecke nach Wetter zu kommen? Redakteur Klaus Görzel macht den Test.
Die Entlasspapiere für den Hausarzt frisch in der Hand, jetzt kann‘s nach Hause gehen mit dem Bus. So könnte eine Geschichte aussehen, die erklärt, warum jemand für eine Strecke von nicht mal vier Kilometern Luftlinie mehr als eine Stunde Fahrzeit braucht und noch dazu drei Mal umsteigen muss. Wie eine solche Fahrt in Zeiten von Corona vom Krankenhaus in Ende bis zur Nordstraße in Wengern aussehen kann – hier der Bericht.
9.37 Uhr, und der Gelenkbus der Linie 376 biegt um die Ecke. Auf die Minute pünktlich. Vom Krankenhausausgang ist es nicht weit gewesen bis zur Haltestelle Westende/Gemeinschaftskrankenhaus. Jetzt heißt es Fahrschein entwerten, Platz nehmen, durchatmen. Die Fahrt beginnt.
Einstieg war hinten. Vorne bleibt versperrt seit Corona. Wer sich vorher keinen Fahrschein besorgt hat, schaut in die Röhre. „Tickets können nicht erworben werden“, heißt es lapidar auf einem eingeschweißten Blatt, das an den rotweißen Absperrbändern hinter der Fahrerkabine hängt. Gut, dass dieser Hinweis auch mal in der Zeitung gestanden hat. Blankoticket steckte in der Hosentasche, jetzt ist es auch gestempelt.
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18 Minuten Fahrzeit, sagt die App vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr von Westende bis zum Zweibrücker Hof voraus. 13 Haltestellen sind das. Eine Stunde und sechs Minuten soll es insgesamt dauern, bis das angenommene Zuhause in der Nordstraße erreicht ist. Zügig rollt der Gelenkbus der Linie 376 von Ende runter in die Herdecker City.
So ein Gelenkbus hat ziemlich viel Platz. Und doch sitzen die Leute eher in Trauben beieinander, selbst wenn sie offenkundig gar nichts miteinander zu tun haben. 1,5 Meter Abstand sind das oftmals nicht. Immerhin: Alle tragen Maske, und zwar so, wie es sein soll: über Nase und Mund gleichermaßen als Schutz. Eine Schülerin hat ein Tierschnütchen über ihrem Mund aufgemalt. Ein bisschen lässt sich so den Beschränkungen der Schrecken nehmen.
Die zehn Minuten Wartezeit auf die 519 vor dem Zweibrücker Hof haben etwas Gutes: Gerade so lange dauert es, um Mutti zu installieren. So heißt die App der Bogestra, die Verbindungen anzeigt und auch die Rennerei nach Tickets überflüssig machen soll. Jetzt schnell den App-Store öffnen (gut, dass ich mein Passwort für den Store im Kopf habe), die App installieren und aufrufen. Fahrschein bestellen und direkt bezahlen geht tatsächlich (gut, dass ich mein Passwort für Paypal im Kopf habe).
Ankommen, aussteigen, Straßenseite wechseln, weiterfahren. Am Vorhaller Kreisel bleibt nicht viel Zeit für den Umstieg in die 591. Aber die Zeit reicht. Ein Schlenker über Hagen muss aktuell immer sein, weil wegen der Steinschlaggefahr in den Klippen über dem See der direkte Weg zwischen Herdecke und Wetter für die 553/555 gesperrt ist und auch diese Linie über die Weststraße in Hagen fährt.
Mit der 519 weiter gefahren ist der Mann, der in Herdecke Mitte zugestiegen ist. Eine Stoffbahn spannt sich über Mund und Nase, an den Händen trägt er blaue Gummihandschuhe. So viel Schutz für sich und andere kann sein. Am Griff seines Stocks baumelt neben einer Einkaufstasche die Tüte einer Apotheke. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes.
Die 591 fährt über die Volmarsteiner Seite vom Vorhaller Kreisel nach Wetter. Das ist ein bisschen weiter und dauert entsprechend länger als der Weg über die Doppelbrücke über Ruhr und Obergraben. Neun Minuten fürs Umsteigen am Bahnhof in Wetter reichen allerdings sogar für einen Minibummel über den Wochenmarkt. Zwei Stände wären zu schaffen. Die Schlangen sind nicht so lang.
Zwei Seniorinnen vertreiben sich mit Plaudern die Wartezeit auf ihren nächsten Bus. Zwischen ihnen bleibt eine Sitzfläche frei. Was ungefähr 50 Zentimeter Luft zwischen ihnen verschafft. Die Masken schützen prima ihr Kinn. Mund und Nase bleiben unbedeckt.
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Auf die Minute pünktlich hält die 592 an der Haltestelle Nordstraße an. Eine Stunde und sechs Minuten Fahr- und Wartezeit sind vergangen. Die Fahrzeit mit dem Auto von hier zum Krankenhaus in Ende beträgt an der Ender Talstraße entlang elf Minuten. Diesen Weg nimmt sonst nur der Bürgerbus. Und der macht corona-bedingt Pause.
Auch in der 592 ist nach der ersten Sitzreihe ein Flatterband gespannt, damit dem Fahrer niemand zu Nahe kommt. Auch hier gibt es einen Fahrgast, dessen Hände in blauen Gummihandschuhen stecken. Die Angst, zumindest das Bemühen um Hygiene, fährt bei den meisten Fahrgästen mit. In diesem gelenkfreien Bus sitzen sie geradezu in einer idealen Verteilung. Bei über 40 Sitzplätzen und einer Hand voll Fahrgäste lässt sich das gut machen.
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Zu einer schnellen Taxifahrt von Ende nach Wengern oder einem weiten Bogen über den Vorhaller Kreisel gibt es übrigens Alternativen. Wer am Krankenhaus die 376 in die Gegenrichtung nach Witten besteigt, muss zwar auch das Verkehrsmittel wechseln (S5 mit der Bahn und Stadtbuslinie 38), kommt laut App aber zehn Minuten früher ans Ziel. Und wer ein paar Minuten warten kann, schafft ebenfalls über Witten den Weg sogar noch einmal zehn Minuten schneller, muss dafür aber nicht 6 Euro zahlen, sondern nur 2,80 Euro für die einfache Fahrtstrecke.
Fahren mit Bus und Bahn bleibt ein Abenteuer – dafür braucht es kein Corona.