Esborn. Bernd Fischer über die „Waldesruh“ in Esborn: Warum der Reiterverein Volmarstein über sein Zelt herfiel und was ein Pony in der Kneipe wollte.
„Glückwunsch, altes Haus, zu 100 Jahren!“ – so titelte die Westfalenpost im August 2009. In diesem Jahr feierte nicht nur die Stadt Wetter ihr Jubiläum, sondern auch das Haus „Waldesruh Im Langenbruch“ wurde 100 Jahre alt. Heute, ein Jahrzehnt später, soll noch einmal an die ehemalige Gaststätte erinnert werden.
Denn hier spielte sich „das Leben von Esborn“ ab, sagt Bernd Fischer, Eigentümer und Sohn des einstigen Wirtsehepaars. Der TuS Esborn (im Übrigen ein Zusammenschluss von Germania Esborn und des Spiel- und Sportvereins Westfalia Esborn) hatte seinen ersten Sportplatz auf dem mehr als zwei Hektar großen Anwesen.
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Die Schützen ermittelten ihren König am Schießstand auf der Wiese hinter dem Haus, Bergmänner der Zeche Neu-Wülfingsburg in Albringhausen löschten ihren Durst. Und der Reiterverein Volmarstein war zur jährlichen Fuchsjagd ein regelmäßiger Gast. „Ich hatte im Garten ein Zelt stehen. Nach ihrer Pause waren die Reiter so angetrunken, dass sie mit ihren Pferden darüber pesten“, erzählt Bernd Fischer.
Hausmacherplatte für 3,50 DM und geräucherte Mettwurst
Sein Vater Bernhard Fischer kaufte Haus und Grundstück 1953 gemeinsam mit seiner Frau Herta von dem Brauereimeister Wilhelm Ostermann. Zuvor hatten Heinrich Watermeyer, Familie Heimann und Wilhelm Weber die Gaststätte „Zur Waldesruh“ betrieben. 1885 brannte das erste Gebäude ab, das heutige Bruchsteinhaus wurde 1909 fertiggestellt.
Bernhard Fischer war Metzgermeister, so war die eigene Hausschlachtung die „Spezialität“ der Fischerschen Gaststätte. „Ich glaube, wir waren in Wetter das einzige Lokal, wo das so war“, sagt Bernd Fischer. Gerade einmal 3,50 DM kostete eine Hausmacherplatte mit Leberwurst, Blutwurst, Schinken, Spiegelei und Kartoffelsalat. In einer Auslage wurden zudem frische Fleischwaren zum Verkauf angeboten. Die Mettwürstchen räucherte der Wirt selbst in einem Räucherofen mit Buchenmehl vom damaligen Sägewerk in Silschede.
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Tiere vor dem Schlachten betäubt
„In den Anfangsjahren hat mein Vater die Tiere mit einem Bolzen-Schussapparat betäubt und geschlachtet. Für mich war das grausam“, so Fischer Junior, der damals etwa acht bis zehn Jahre alt war. Doch dem Wellfleisch aus dem Kessel konnte auch er nicht widerstehen: „Dazu gab es eine Scheibe Brot und Senf. Das war so lecker!“ Als die gesetzlichen Auflagen zur Hausschlachtung strenger wurden, bezog Bernhard Fischer Rinder und Schweine von einem Schlachthof in Schwelm.
Wenn der Metzger nicht in der Wurstküche zugange war, stand er hinter der Theke und zapfte Bier. Das kam aus der Nachbarstadt Hagen von der Andreas-Brauerei, die es inzwischen nicht mehr gibt. „Wenn die Fahrer früher das Bier brachten, haben sie es vom Lkw auf ein Lederkissen geworfen, zur Luke gerollt und in den Bierkeller transportiert“, erzählt Bernd Fischer.
Mit dem Pony in die Kneipe
Mutter Herta Fischer hat gekocht und die Gäste bedient. Sie musste über den Flur gehen, um von der Küche in den Gastraum zu kommen. „Vorbei an einem Zigarettenautomaten, eine Packung kostete 1 DM“, erinnert sich Sohn Bernd, der meist beim Tellerwaschen geholfen hat. Unterhalten konnte er als Kind aber auch: „Ich hatte drei Ponys. Wenn die Gäste das wollten, habe ich eines am Halfter genommen und bin mit ihm in die Kneipe.“
Anfang der 1960er-Jahre wurde die Esborner Straße mithilfe eines aufwendigen Durchbruchs verlegt. Weil die Verbindungsstraße zwischen Esborn und Gevelsberg nicht mehr direkt am Haus vorbeiführte, konnten auf diese Weise genügend Parkplätze entstehen. Noch im selben Jahrzehnt verstarb Bernhard Fischer im Alter von 50 Jahren.
Wirtschaft zu Wohnraum umgebaut
Bis Mitte der 70er-Jahre bewirtschaftete seine Frau Herta die Gaststätte alleine. Unterstützung bekam sie von einer Freundin, „doch irgendwann war es ihr zu viel“, weiß ihr Sohn, der zu der Zeit seine Lehre begonnen hatte und das Lokal nicht übernehmen wollte.
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Aber er blieb in dem Haus wohnen – bis heute. Die ehemaligen Wirtschaftsräume baute er zu Wohnraum um. Aus dem Wohnzimmerfenster im Anbau blickt er auf einen Teil des Gartens hinunter: „Da war früher die Tanzfläche, also draußen. Hier war jeden Tag Trubel“, den Bernd Fischer zurück.