Herdecke. Kompetenz-Überschreitung? Bürgermeisterin Strauss-Köster hat den Ratsbeschluss zum Klimanotstand in Herdecke beanstandet. Es geht um drei Sätze.

Während aktuell auch in Wetter die Debatte um weitere Maßnahmen zum Umweltschutz die Politiker beschäftigt(e), wollte eine politische Mehrheit in Herdecke den Klimanotstand ausrufen. In der Ratssitzung am 4. Juli stimmten 18 Mitglieder für die kontrovers diskutierte Vorlage, 15 waren dagegen. An diesem Dienstag, 1. Oktober, steht das Thema erneut auf der Tagesordnung des Gremiums, da die Bürgermeisterin – wie sie es angekündigt hatte – einige Passagen des Beschlusses beanstandet. Das liegt an unterschiedlichen Sichtweisen bei Kästchen zum Ankreuzen.

Zunächst aber noch eine grundsätzliche Einordnung: Im Juli hatten die Grünen und die Unabhängige Wählergemeinschaft Anträge zum Notstand sowie die SPD einen Zusatz (Einrichtung einer Werkstatt) vorgelegt. Daraufhin hatte die Stadtverwaltung eine Vorlage erarbeitet und darin den Klimanotstand erklärt. Angesichts geringer Abweichungen von den Vorstellungen der Notstands-Befürworter hatte Katja Strauss-Köster diesen neuen Text als „Kompromiss“ und akzeptablen Weg für die Verwaltung bezeichnet. Aufgrund der fachlichen und personellen Kapazitäten seien manche Wünsche aus den Reihen der genannten Fraktionen für die Verwaltung aber nicht umsetzbar, so die Bürgermeisterin.

Schon in jener Sitzung zeichnete sich ein Streit um drei Sätze in dem dann doch wieder veränderten und schließlich beschlossenen Text ab. Demnach soll für alle Beschlussvorlagen für eine Testphase bis zu den Haushaltsberatungen am Ende des Jahres das Kästchen ,,Auswirkungen auf den Klimaschutz“ mit den Auswahlmöglichkeiten ,,Ja, positiv“, ,,Ja, negativ“ und ,,Nein“ verpflichtender Bestandteil sein. Zweiter Satz: Wird die Frage mit ,,Ja, positiv“ oder ,,Ja, negativ“ beantwortet, muss die jeweilige Auswirkung in Zusammenarbeit mit der Agenda-21-Koordinatorin in der Begründung dargestellt werden. Ein weiteres Kästchen unter der Verwaltungsvorlage lautet: zurzeit nicht ermittelbar.

Diese Aspekte wollten die politischen Befürworter in dem Beschluss verankern, damit Herdecker Verantwortliche künftig konkrete Folgen im Blick haben und der Klimanotstand nicht nur ein deklatorischer Akt sei. Die Bürgermeisterin aber sieht in diesen Passagen einen Eingriff in ihre Kompetenz und einen Verstoß gegen die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung (§ 62 GO NRW). Darin heißt es u.a., dass Bürgermeister Ratsbeschlüsse vorbereiten. Strauss-Köster argumentiert, dass der Rat ihr keine generellen Vorgaben dazu machen könne und beanstandet somit die diesbezügliche Entscheidung vom 4. Juli. Wortlaut: „Insbesondere besteht kein Rechtsanspruch der Ratsmitglieder auf schriftliche Beschlussvorlagen.“

Aus ihrer Sicht finden Befugnisse des Rates dort ihre Grenzen, ,,wo es um die Inanspruchnahme der hauptamtlichen Verwaltung selbst, um Leistungen bestimmter Dienstkräfte oder die Arbeitsweise und Arbeitseinteilung geht“. Der Rat könne Bürgermeistern keine Vorgaben machen, welche Bedienstete oder Organisationseinheiten an Beschlussvorlagen mitwirken.

Fraktionen unterschiedlicher Meinung

Während die Fraktion der Linken sich am 4. Juli der Sichtweise von SPD und Grünen anschloss, folgte die Unabhängige Wählergemeinschaft den Ausführungen der Bürgermeisterin.

Auch die UWG stimmte, nachdem sie selbst einen Antrag pro Klimanotstand gestellt hatte, gegen den Beschlussvorschlag und sprach sich somit gegen die umstrittenen „Kästchen“ aus.

Katja Strauss-Köster hatte zunächst noch ein beispielhaftes Vorgehen anhand von drei oder vier Beschlüssen vorgeschlagen und sich dann gegen eine Testphase über zwei Sitzungsrunden ausgesprochen.

Die AfD hatte zur Klimanotstands-Debatte in Herdecke ihre Presseerklärung mit der Überschrift „Panikmache statt Diskurs“ versehen.

EN-Kreis ist Aufsichtsbehörde

An diesem Dienstag nun müsse das Herdecker Gremium entscheiden, ob es den Beschluss vom 4. Juli aufrecht erhalte. In dem Falle werde Strauss-Köster den Ennepe-Ruhr-Kreis als Aufsichtsbehörde informieren. Laut Gemeindeordnung habe ihre Beanstandung aufschiebende Wirkung, ehe der Kreis den Sachverhalt klärt.

Zusammengefasst: Inhaltlich liegen die Bürgermeisterin und die Klimanotstands-Befürworter weitgehend auf einer Wellenlänge. Bei den Auswirkungen und den Folgen für die politische wie auch verwaltungsinterne Arbeit sind sie unterschiedlicher Ansicht. Nicht zu vergessen die CDU und FDP, die im Juli keinen Notstand ausrufen wollten.