Herdecke/Ennepe-Ruhr. . In Witten könnte ein neues Zentrum der Erwachsenenpsychiatrie entstehen. Das hätte Folgen für das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und den Kreis

Schwarz auf weiß steht es im Krankenhausplan 2015, dass es in Nordrhein-Westfalen einen Mehrbedarf für erwachsene Patienten in der Abteilung Psychiatrie/Psychosomatik gibt. Daher hat das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke (GKH) vor einiger Zeit einen Antrag zur Ausweitung zusätzlicher Kapazitäten gestellt. Seit 2016, so Geschäftsführer Christian Klodwig, läuft das Planungsverfahren. Bisher ohne Ergebnis. Das NRW-Gesundheitsministerium könnte nun einen überraschend neuen Weg verfolgen, der die psychiatrische Versorgungs-Struktur im Ennepe-Ruhr-Kreis durcheinander bringen könnte.

Bisher hat sich das GKH, das auch in Witten seit 20 Jahren eine laut Klodwig „gut etablierte“ Tagesklinik für 18 Patienten betreibt, die Behandlungen in der Erwachsenenpsychiatrie vollstationär mit dem St.-Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen-Niederwenigern sowie mit der Tagesklinik Gevelsberg in Trägerschaft der Mülheimer Fliedner-Stiftung aufgeteilt. Die neue Überlegung des NRW-Ministeriums: Wegen des Mehrbedarfs könnte in Witten am Evangelischen Krankenhaus (EVK) eine komplett neue Psychiatrie mit 79 Betten zur vollstationären Versorgung und 21 Tagesklinik-Plätzen entstehen. Beantragt hatte das EVK lediglich 16 gerontopsychiatrische Betten. Die diesbezügliche Versorgung erfolgte bisher kooperativ gleichfalls durch das GKH.

GKH-Tagesklinik müsste schließen

„Sollte das neue Modell zum Tragen kommen, müssten wir unsere Tagesklinik in Witten nahe des EVK aufgeben, damit an selber Stelle das EVK ein neues Tagesklinik-Versorgungsangebot aufbauen könnte. Aus unserer Sicht wäre es besser, vorhandene Strukturen weiterzuentwickeln und keine gut funktionierende Netzwerke zu zerschlagen“, so der GKH-Geschäftsführer. Das sähen auch der Kreis und die Bezirksregierung so, während das Ministerium „aus bisher nicht nachvollziehbaren Gründen“ zu einer anderen Sichtweise neige und dabei offenkundig verkenne, dass das GKH gerade einmal acht Kilometer entfernt liegt.

Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht betroffen

Vom neuen Modell mit einem Wittener Zentrum wäre in Ende die Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht betroffen. Grundsätzliche gebe es einen Fachkräftemangel, ein zusätzlicher Anbieter würde das Problem verstärken.

Politiker von SPD und Grünen haben bereits einen Brief an das Ministerium geschickt, zudem sollen sich Bürgermeister und der Ennepe-Ruhr-Kreis einschalten. Mit Vertretern von CDU und FDP steht das GKH in Kontakt.

Im Sozialausschuss sagte Klodwig, dass er zeitnah mit einer Entscheidung des Ministeriums rechne. Das Anhörungsverfahren endete im Mai, nun könnte ein schneller Beschluss folgen. „Solche Verfahren dauern normalerweise weit länger, daher sind wir hellhörig geworden. Wir wollen mit Politikern und dem Ministerium ins Gespräch kommen, um unsere Sicht vorzutragen und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.“

Das GKH müsste durch eine neue Psychiatrie-Abteilung in Witten keine Betten reduzieren, doch würde das Zuständigkeitsgebiet spürbar kleiner: Bisher ist die Ender Klinik für die Pflichtversorgung in Herdecke, Wetter, Breckerfeld, Gevelsberg und Teilen von Witten zuständig. Daher will das GKH mit den Trägern aus Hattingen und Gevelsberg auf verschiedenen politischen Ebenen ihre Belange verdeutlichen. Auch rechtliche Schritte seien denkbar. Doch ein juristisches Verfahren könnte sich in die Länge ziehen und hätte wohl keine aufschiebende Wirkung für die mögliche Neugründung in Witten.

Krankenkassen vergüten nicht alles

Das Budget der Krankenkassen umfasse schon jetzt weniger Fälle als das GKH jährlich behandelt. „Auch wenn wir keinen Bedarf für zwei vollumfängliche Fachabteilungen in unmittelbarer Nachbarschaft sehen, hielten wir es für sachgerechter, auch den bestehenden Leistungserbringern eine Möglichkeit zu eröffnen, vollstationäre Betten in Witten aufzubauen“, so Klodwig, der auf viele Kooperationen mit der Nachbarstadt verweist (aktuell die Etablierung eines neuen integrativen Psychiatrie-Lehrstuhls an der Uni oder Medizinstudenten-Ausbildung). „Unser Interesse an der Ausweitung bestehender Struktur ist nicht vorrangig wirtschaftlich motiviert, sondern betrifft die wichtige Frage, wie eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung im Kreis und Witten ohne Beschädigung gut etablierter Netzwerkstrukturen möglich ist.“