Herdecke. . Der Rat von Betroffenen ist in der Psychiatrie des Herdecker Gemeinschaftskrankenhauses gefragt. Anja Slabi ist eine von ihnen.
- Das Herdecker Gemeinschaftskrankenhaus setzt auf die Erfahrung von Betroffenen
- Unterstützt von der Glücksspirale wird eine so genannte Ex-Inlerin beschäftigt
- Die 48-Jährige ist selbst an einer Bipolaren Störung erkrankt
Anja Slabi kommt regelmäßig in die Psychiatrische Abteilung des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke (GKH). Nicht als Patientin. Dabei ist sie das auch irgendwie. Die 48-Jährige leidet an einer Bipolaren Störung, „doch geht es mir inzwischen wieder gut“, sagt die frühere Verlagskauffrau. So gut, dass sie anderen Patienten helfen kann, mit ihrer Krankheit und mit dem System Krankenhaus umzugehen. Anja Slabi ist Ex-Inler. So nennen sich Genesungsbegleiter, die in zwei Semestern zu Mittlern zwischen Ärzten und Patienten ausgebildet werden.
Experten für sich selbst
Hinter dem Kürzel verbirgt sich der englische Begriff Experienced Involvement, der für die Beteiligung Erfahrener Menschen in der Psychiatrie steht. Und die Erfahrung ist in diesem Fall nicht die, die die Mediziner natürlich auch mitbringen, sondern die der Patienten. Auf Augenhöhe mit einem Patienten zu sprechen, fällt den ausgebildeten Therapeuten manchmal schwer. „Sie haben die Probleme ja nicht“, höre man dann von den Patienten, sagt Dr. Margareta Müller-Mbaye, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Gemeinschaftskrankenhaus. In diesem Moment seien Erkrankte oft nicht mit einem „ich weiß es besser“ zu erreichen. „Und dann kann die Vermittlung der Ex-Inler sehr wertvoll sein“, so die Ärztin.
Patienten werden Experten für sich selbst
Die psychiatrische Abteilung in Herdecke hat sich mit den Jahren immer mehr geöffnet. Zum einen, weil der Gesetzgeber mehr Normalität, mehr Alltagsleben für die Patienten einforderte, zum anderen, weil sich auch die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Patienten lernen müssen, mit ihren Störungen zu leben. „Wir können nicht alles beseitigen“, sagt Müller-Mbaye. Vielmehr müsse man die Patienten zu Experten für sich selbst machen. Um ihnen dann mit allen möglichen Hilfen zur Seite zu stehen.
Seminare und Selbsthilfegruppe
Expertin für sich selbst ist Anja Slabi. Fünf Jahre hat sie gebraucht, bis sie einen guten Weg gefunden hat, mit dem für die Bipolare Störung typischen Wechsel zwischen Depression und Hochstimmung zurechtzukommen. Sie engagiert sich in einer Selbsthilfegruppe, hat Seminare belegt und gelernt „zu erkennen, was mir gut tut und was nicht“. Jetzt geht sie den nächsten Schritt, zurück in einen Beruf. In den Verlag will sie nicht zurück. Stattdessen nutzt sie das Wissen, das sie sich in der Auseinandersetzung mit sich und ihrer Krankheit erworben hat. „So kann ich mit meiner Erkrankung noch etwas bewirken, ihr irgendwie eine Bedeutung geben“, sieht Slabi sich selbst im Reinen mit der eigenen Betroffenheit.
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Finanziert von der Glücksspirale kann die 48-Jährige nun den praktischen Part ihrer Ausbildung im Gemeinschaftskrankenhaus absolvieren. Drei Tage in der Woche ist sie auf der Psychiatrischen Station präsent, begleitet die Ärzte bei der Visite und hält den Kontakt zu den Patienten. Gemeinsam mit den Therapeuten wird überlegt, wie die Hilfe für Patienten gestaltet werden kann. Und das nicht über den Kopf der Betroffenen hinweg, sondern mit ihnen. „Wir erstellen Patientenvereinbarungen, auch für den Fall einer Krise“, sagt Dr. Müller-Mbaye. Anja Slabi ist dabei eine wichtige Partnerin. Ihre wichtigste Botschaft, die schon durch ihre Anwesenheit transportiert: „Man kann es schaffen.“
Regelmäßige Sprechstunde
Für das GKH ist die Arbeit der Hagenerin eine echte Bereicherung. Und so gibt es Überlegungen, auch nach Ablauf der Finanzierung eine regelmäßige Sprechstunde eines Es-Inlers zu etablieren. Durch die Mitarbeit von Anja Slabi komme eine weitere wichtige Perspektive hinzu, sagt die Ärztin. Für Angehörige, wie für Betroffene.