Herdecke. . Über Moratorium Amprion stoppen: Die Stadt Herdecke fordert per Brief an Politiker und Bürgermeister einen Aufschub der 380-Kilovolt-Stromtrasse.
Anfang April kündigte der Netzbetreiber Amprion an, dass jetzt erste Baumaßnahmen am Hengsteysee und Koepchenwerk für die umstrittenen 380-Kilovolt-Stromleitungen beginnen. Dazu verschickte das Unternehmen Post an verschiedene Grundstückseigentümer. Kurz darauf setzte die Stadt Herdecke einen Brief auf. Aus dem Bau- und Planungsamt stammt ein Schreiben mit der Unterschrift von Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster. Inhalt: Forderung eines Moratoriums zur Überprüfung der Notwendigkeit der Höchstspannungstrasse.
Warum diese Initiative zum Aufschub der Aktivitäten? „Da bereits mit den Arbeiten begonnen wurde, sah sich die Stadtverwaltung veranlasst, noch einmal auf das Anliegen der Herdecker Bürgerinnen und Bürger aufmerksam zu machen“, heißt es dazu aus dem Rathaus.
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Interessant ist die Liste der Adressaten. Das Schreiben ging an Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und seinen Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, den Arnsberger Regierungspräsidenten Hans-Josef Vogel (plus zuständige Fachabteilung), die Bundesnetzagentur sowie alle Fraktionen im deutschen Bundestag. Und an zwölf Bürgermeister jener Städte, die wie Herdecke entlang der geplanten 380-kv-Trasse bis ins rheinland-pfälzische Dauersberg liegen: Dortmund, Witten, Hagen, Nachrodt-Wiblingwerde, Lüdenscheid, Plettenberg, Lennestadt, Olpe, Attendorn, Wenden, Kirchhundem und Kreuztal.
Kohleausstieg und neue Bewertung
In dem Brief nimmt die Stadt Herdecke Bezug zum Anfang des Jahres erfolgten Beschluss der Bundesregierung, aus der Kohleverstromung auszusteigen. Dadurch ergeben sich „Veränderungen in der Notwendigkeit des Baus der planfestgestellten Trasse für die neue Höchstspannungsfreileitung.“ Der Bürgermeisterin gehe es um eine neue Bewertung der geplanten Leitungen, deren ersten Abschnitt von Kruckel bis Garenfeld die Bezirksregierung bereits genehmigt hat. „Um keine weiteren Fakten zu schaffen, müssen die begonnenen Bauarbeiten für diesen Zeitraum gestoppt werden“, erklärt Strauss-Köster den Sinn ihrer Moratoriums-Forderung.
Zuspruch aus Hohenlimburg
Claudia Scholten von der Bürgerinitiative Hohenlimburg unter Höchstspannung nennt den Versuch, gemeinsam mit allen Bürgermeistern der an der Trasse liegenden Städte einen Aufschub zu erwirken, „großartig“.
„Es ist noch nicht zu spät. Ich finde es toll, dass Frau Strauss-Köster diese Initiative ergriffen hat. Sie eröffnet neue Möglichkeiten“, so Scholten. Es wäre „ein starkes Zeichen, wenn sich alle Bürgermeister beteiligen.“
Die Bürgermeisterin und viele Protestler in Herdecke merken an, dass der Ausbau der vorhandenen Stromtrassen für den Transport der großen Kohlestrommengen Richtung Süden erfolge. Beim Blick auf das dazugehörige Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG 19) sei aber zu beachten, dass die Anzahl der Steinkohlekraftwerke schon jetzt zurückgehe. Und weiter: „Als Folge des beschlossenen Kohleausstiegs werden im Jahr 2038 keine Kohlekraftwerke mehr am Netz sein. Schon jetzt sind die Stromnetze durch Herdecke nach Auskunft der Energiewirtschaft nicht ausgelastet. Welcher Strom soll dann zukünftig durch die riesige neue Höchstspannungstrasse fließen?“, heißt es in dem Schreiben, in dem die Bürgermeisterin um Unterstützung für ihr Ansinnen wirbt.
Prozessgemeinschaft begrüßt Brief
Die Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom begrüßt den Vorstoß der Bürgermeisterin und das Schreiben der Stadt. „Auch ich habe aus einer zuverlässigen Quelle erfahren, dass durch die neuen Leitungen hauptsächlich Kohlestrom fließen soll“, so Sprecher Lars Strodmeyer.
Aus seiner Sicht sei die 380-kv-Trasse technisch nicht notwendig, das Argument bezüglich der Netz-Sicherung könne er entkräften. „Die Versorgung lief noch nie so stabil wie heutzutage. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die Politik den Ausbau unbedingt will.“ Umso unverständlicher für Strodmeyer, der auf die vielen Protestbewegungen entlang der geplanten Trasse verweist. „Es gibt ja nicht nur eine Bürgerinitiative, die das verhindern will. Umso ärgerlich, dass ein echter Dialog der Verantwortlichen mit uns nie stattgefunden hat“, sagt der Herdecker auf Anfrage.