Herdecke. . Verwunderung wegen der 180-Grad-Kehrtwende der Grünen Herdecke: Die Bürgerinitiative Semberg kritisiert deren Position zur geplanten Stromtrasse.
Mit Verwunderung haben die Bürgerinitiative (BI) Semberg und die Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom die Position der Grünen zum Bau der neuen 380-Kilovolt-Trasse aufgefasst. Deren neue und alte Fraktionsspitze hatte den Beschluss der Bezirksregierung Arnsberg auch durch das hiesige Stadtgebiet als gut begründet dargestellt und Vorteile des genehmigten Leitungsverlaufs entdeckt (Lokalausgabe 19. September).
Die BI kritisiert, dass die Grünen die „sehr berechtigten“ Sorgen vieler Herdecker ignorierten: Ca. 1700 Einwohner leben nahe der Trasse, acht Wohnhäuser und neun Gewerbebetriebe werden direkt überspannt. Anja Kliem, David Hatzky und Detlef Plett von der Bürgerinitiative sowie Lars Strodmeyer (Prozessgemeinschaft) meinen, dass der Beschluss angesichts neuer Leitungen mit größerem Volumen zum Nachteil Herdeckes ausfalle, etwa wegen deutlicher Wertverluste von Grundstücken und Wohneigentum. Das Quartett wundert sich über 180-Grad-Kehrtwende des Duos Gerigk/Disselnkötter. „Früher profilierten sich die Grünen mit den Argumenten der BI, heute mit den Argumenten von Amprion.“
Die BI-Bemühungen um Unterstützung seien seit 2015 sowohl mit den Herdecker Grünen als auch mit deren Landes-Vertretern im Wesentlichen gescheitert. Zudem hätten die Spitzen der drei NRW-Umweltverbände keine Bereitschaft für ergebnisoffene Gespräche gezeigt. BI-Rechtsanwalt Philipp Heinz: „In Südwestfalen gibt es eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Parteien, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen, um für alle vertretbare Lösungen zu erreichen.“
Eingriffe in Natur im Peddenhohl
Den vermeintlichen Vorteilen im Landschaftsschutzgebiet Peddenhohl (weniger Masten) widerspricht die Initiative entschieden. Die Mastneubauten am Ende der Nierfeldstraße und am Nordhang bringen demnach schwerwiegende Eingriffe in die dort vorhandenen Wald- und Heckenbestände mit sich. Allein für den „Monstermasten“ mit fast 90 Metern Höhe am Abzweig Erdbrügge sei eine Bauvorbereitungsfläche von 4000 Quadratmetern vorgesehen. Beim Abbau von Gestänge kommen schwere Maschinen zum Einsatz, die bis zu 100 Meter breite Schneisen benötigen. „Eingriffe in den Natur- und Landschaftsraum werden auch an anderen Stellen des Trassenverlaufes Herdeckes Stadtbild auf Jahre hinaus prägen“, meinen die beiden Gruppen und verweisen darauf, dass Mastfundamente im Erdreich bleiben. Und beim Trassenverlauf an der Autobahn sei bekanntlich auch eine Koepchenwerk-Anbindung möglich.
Prozessgemeinschaft biegt auf Zielgerade ein
Bis Mitte Oktober müssen sich potenzielle Kläger entscheiden, ob sie den Beschluss der Bezirksregierung Arnsberg zum Bau der neuen 380-Kilovolt-Stromtrasse auch durch Herdecke vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anfechten wollen.
Die Überlegungen dazu, so teilte es die dafür gegründete Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom mit, befinden sich in der Endphase. „Wir müssen abschließend noch die Klage-Chancen und das Risiko bewerten“, sagte Lars Strodmeyer.
Die Beteiligten streben zudem an, den Geldspendern in den nächsten Wochen Informationen zukommen zu lassen.
Entsetzt ist die BI Semberg wegen der Einschätzung der Grünen zu Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Felder. Es gebe keine Abschirmung durch unten liegende Leitungen, das bewirke nur eine geringfügige gegenseitige Aufhebung. Und wenn das Bundesamt für Strahlenschutz festlegt, bei Neubauten einer Höchstspannungstrasse Gebäude nicht zu überspannen, fragen sich die Bürger, warum das hier akzeptiert werde. Obendrein sei die Leitung hier wesentlich für Datteln 4 und weitere Kohlekraftwerke an der Lippe-Schiene vorgesehen. „Dabei fordern ja gerade die Grünen den möglichst frühen Ausstieg aus der Kohleverstromung.“