Wetter/Witten. . Die Renaturierung der Ruhr zwischen Wengern und Bommern hat begonnen. Nach dem Spatenstich entfernt ein Bagger die ersten Uferbefestigungen.

Ein schöner Zufall: Als gerade ein Baggerfahrer die ersten Steine aus der Ruhr in Wengern befördert, kommt eine Kanutin vorbei. Und symbolisiert unbewusst das, was die Bezirksregierung Arnsberg mit ihrer Renaturierung in diesem Abschnitt beabsichtigt.

Auf 3,7 Kilometern bis Bommern soll der Fluss mehr Platz erhalten, damit sich neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen bilden. Davon sollen auch Bürger profitieren. Für Radfahrer und Fußgänger entstehen – wie berichtet – während der Bauarbeiten bis Jahresende zwei Aussichtshügel und neue Wege zum Gewässer. Mehr Nähe zur Natur und gleichzeitig ökologische Defizite beheben: Die Behörde will den Fluss „entfesseln“.

Zum Spatenstich und Auftakt der Maßnahme begrüßte die Bezirksregierung in Sichtweite des Ruhrtalradweges mehrere Dutzende Neugierige. In der Nähe des Stollenbach-Zuflusses standen ein Zelt, Informationstafeln – und viele Vertreter von Verwaltungen.

„Es ist nach wie vor ungewöhnlich, dass eine Behörde einen Fluss umbaut, dementsprechend verantwortlich wollen wir handeln“, sagte Bernd Müller. Der Umwelt-Abteilungsleiter in Arnsberg hofft nach den Erfahrungen in vier anderen Ruhr-Teilstücken, dass hier vor allem die Barbe als Fisch-Leitart nach dem Abschluss der Arbeiten neue Laichplätze findet. „Das ist kein einfaches Projekt, gerade mit Blick auf den Baustellenverkehr, den wir ja recht kreativ lösen können.“ Bekanntlich verbleibt ein Teil der Bodenmassen im Gelände, das spare Lkw-Transportfahrten ein.

Gutes Ergebnis erhofft

An die Anwohner-Sorgen erinnerte Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg. Nun sei er optimistisch, dass „das Endergebnis die Unannehmlichkeiten während der Bauzeit kompensieren kann“.

Wittens Stadtbaurat Stefan Rommelfanger betonte in seinem Grußwort die interkommunale Zusammenarbeit für diese historische Kulturlandschaft. „Mit der Renaturierung stärken wir auch die Potenziale unserer Städte in Sachen Freizeit und Lebensbedingungen.“ Das soll sich ja auch bei der Internationalen Gartenausstellung 2027 und der geplanten Perlenkette entlang der Ruhr auszahlen, schließlich lasse sich das industriekulturelle Erbe auch ökologisch und im Sinne der Bürger weiter entwickeln.

Das passende Stichwort für Michael Sell. Der Wittener Landschaftsplaner berichtete, dass es in diesem Abschnitt kaum passenden Lebensraum und Schotterbänke gebe, daher fehlen viele Fischarten. „Nur ein paar Aale finden hier eine Garage. Vor rund 200 Jahren wurden hier fast schon Steinbrüche versenkt.“ Bei Steger in Bommern liegen Beton und Stahl auf dem Grund. So wurde aus der Ruhr fast eine Art Kanal, wie Bezirksregierungs-Dezernent Ulrich Detering bemerkte und auf Luftbilder verwies. Sell: „Der Fluss war hier mal zwischen 50 und 100 Meter breit.“

Fehler der Vergangenheit nun korrigieren

Die Ruhr gilt in Teilen als verbaut und ökologisch defizitär, von der einstigen Flusslandschaft ist auch zwischen Wetter und Witten wenig zu sehen. Die Bezirksregierung will nun die Fehler der Vergangenheit (Begradigung) korrigieren.

Die Ruhr soll an alte Auen angebunden werden. Und das im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie (bis 2027 zu erfüllen).

Laut Sell als ökologischem Bauüberwacher komme es nun mit einem vernünftigen Mix darauf an, dass Großgeräte einerseits mit langen Auslegern großes Gestein aus dem Fluss (zum Teil in sechs Meter Tiefe) holen und Uferbefestigungen für besseren Hochwasserschutz abreißen. „Hier ist aber andererseits auch schon vieles schön, das dürfen wir nicht zerstören. Wir werden Rücksicht nehmen und beispielsweise Fische retten, ehe der Bagger kommt. Es ist gut, dass mehr Schotter im doppeldeutigen Sinne für die Ruhr zur Verfügung steht.“ Zudem sollen von dem Millionen-Projekt bereits angelegte Tümpel sowie Seitengewässer wie die Elbsche profitieren und sich bald wieder zur Ruhr schlängeln bzw. mäandern. „Die sind zum Teil in einem armseligen Zustand, da kommen Fische kaum durch.“

Provisorische Baustraße

Nun sind die Bauarbeiter am Werk. Parallel bzw. zwischen dem Ruhrtalradweg und dem Fluss entsteht eine provisorische Baustraße, damit Lkw die Bodenmassen bis hin zum Gewerbegebiet Auf der Bleiche und dann hinaus aus Wetter transportieren können. Dezernent Detering: „Weiterhin gilt, dass der Ruhrtalradweg weitgehend befahrbar bleibt.“ Und 2019 geht es dann auf der anderen Flusseite weiter.