Wengern. . Raus aus dem Beton und endlich wieder frei fließen können – mit der Renaturierung der Ruhr entstehen auch neue Aussichtspunkte für Naturliebhaber.
Der zweite Anlauf klappt. Konnte die Bezirksregierung Arnsberg im Vorjahr keiner Firma den Auftrag erteilen, kann jetzt die Renaturierung der Ruhr in Wengern und Bommern starten. Im Juli beginnen an der Stadtgrenze Wetter-Witten die Arbeiten für den ersten Bauabschnitt auf 3,7 Kilometern. Diese führen zu Beeinträchtigungen im Straßen- und Radverkehr, nach dem Abschluss im Dezember 2018 sollen aber neue touristische Anziehungspunkte der Lohn sein.
Das Projekt
Der ökologische Zustand der Ruhr könnte hier besser sein. Also weg mit steinernen Uferbegrenzungen und Betonwänden am Rand, das Wasser soll sich freier entfalten können. Die Firma Strabag arbeitet sich dafür stromaufwärts vor. Die Bautätigkeiten beginnen in Bommern nahe des Campingplatzes Steger und enden – sofern die Witterung mitspielt – Ende des Jahres am Zufluss des Stollenbachs in Voßhöfen. Was der Ennepe-Ruhr-Kreis vor Jahren mit dem Anlegen kleiner Tümpel (Blänken) begann, gehe jetzt im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtline weiter. Ab Sommer 2019 folgen Maßnahmen auf der anderen Seite in Gedern und unterhalb der Wittener Nachtigall-Brücke. Das Ziel: das Gewässer entfesseln, damit sich ein artenreicher Fluss naturnah entwickelt. „An manchen Stellen wird die Ruhr auch besser zugänglich, die Leute sollen näher ‘ran können“, sagt Ulrich Detering. Der zuständige Dezernent aus Arnsberg kündigt Baustellenführungen an, um Bürgern das Vorgehen zu erklären.
Die Transportfrage
Laut Detering habe die Bezirksregierung wegen der Verkehrsbelastung gestalterisch weniger geplant als zunächst vorgesehen war. Zugelassen sind nur Lkw mit breiten Reifen, um den Bodendruck zu minimieren. Die Abfahrt des Materials, das eventuell auch nach Volmarstein zur Umgestaltung der Halde gelangen kann, erfolgt über das Gewerbegebiet Auf der Bleiche. Die dort ansässigen Firmen habe die Bezirksregierung mit der Stadt Wetter zwecks Abstimmung der Arbeitszeiten und wegen Parkverboten informiert. Vorgabe ist: Die Lkw fahren nicht durch Wengern zu den Deponien.
Die Aussichtshügel
Neben dem Elbschezufluss, der ebenfalls optimiert werden soll, beginnt Richtung Bommern das Naturschutzgebiet, das bald für ein paar Meter geöffnet wird. Wo noch ein toter Baum hinter einer Absperrung liegt, soll künftig einer der beiden Aussichtspunkte (jeweils mit Fahrradabstellplätzen) entstehen. Der Hügel werde mit Material aus dem Flussumfeld ca. sechs Meter hoch aufgeschüttet.
Die zweite Erhöhung von rund fünf Metern dient auch Arbeitszwecken: Um die Lkw aus dem Gelände führen zu können und um den Ruhrtalradweg nicht sperren zu müssen, entsteht nahe des Gewerbegebiets Auf der Bleiche ein provisorisches Kreuzungsbauwerk. Radler rollen darüber, Fahrzeuge darunter her. Später soll hier an diesem Aussichtspunkt auch ein neuer Rastplatz anbieten.
Die Natur
Die Crux an der Sache: Um der Natur mehr Raum zu geben, muss der Mensch eingreifen. Damit dies mit Augenmaß geschieht, gibt es eine ökologische Baubegleitung von den Landschaftsplanern der Wittener Firma Viebahn Sell, wobei Michael Sell die Gegend bestens kennt und schon den Kreis beraten hat. „Das ist hier ein El Dorado für Vögel. Zugunsten des Artenschutzes muss man beim Ablauf schon mal flexibel reagieren und Tiere schonen.“ Dabei denkt der Diplom-Biologe an dort lebende Eisvögel oder Uferschwalben. Letztere kämen nach einer möglichen Verdrängung durch Lärm aber erfahrungsgemäß zurück an gewohnte Brutstellen. Und sollte die Ruhr wie gewünscht neue Schotterbänke bilden, bieten diese vermehrt Ansiedlungspunkte nicht nur für Insekten oder, Pflanzen sondern auch für Fische, da einige typische Arten hier fehlen. „Zudem sollen alle großen Bäume stehen bleiben, die Silberweide soll das Flussufer hier weiter prägen, da sie im Wasser stehen kann“, sagt Detering, während Projektleiter Jan Stute von der Bezirksregierung noch Eschen oder die Schwarzerle nennt. Neuanpflanzungen seien nicht geplant.
Der Ruhrtalradweg
Die Strecke neben der Baustelle soll stets befahrbar bleiben. Die Rampe am Gewerbegebiet ist während der Arbeiten als Umleitung vorgesehen und wird später zur Sackgasse mit Ausblick. An einer Stelle neben dem Weg entsteht auf Anregung der Feuerwehr eine Slipanlage, damit Einsatzkräfte ihre Boote zu Rettungszwecken einfacher zu Wasser lassen können.
Die Landwirte
Die Flächen am Ufer im betreffenden Abschnitt haben im Wesentlichen drei Landwirte gepachtet. Die seien informiert und sollen das Areal nach der Renaturierung wieder nutzen können, auch wenn dieses dann etwas kleiner ausfalle.