Herdecke. . Herdecker protestieren weiter gegen den Bau der Stromtrasse von Amprion. Die Bezirksregierung wartet auf Stellungnahmen des Energieversorgers.
- Neuer Regierungspräsident Anfang November zu Gast in Herdecke+
- Klärungsbedarf auch noch in Hagen-Bathey
Viele Telefonate sind nötig, um in diesen Tagen den Verfahrensstand zum Bau einer neuen Höchstspannungsfreileitung durch Herdeckes Stadtgebiet einschätzen zu können. Auch wenn viele derzeit mit den Planungen für die 380-Kilovolt-Trasse des Netzbetreibers Amprion zu tun haben, müssen die Anwohner entlang der vorgesehenen Streckenführung weiter warten. Zur Erinnerung: Rund 1500 Herdecker wären von neuen Masten und elektromagnetischen Feldern betroffen, sollte die Bezirksregierung Arnsberg das Projekt genehmigen.
Bezirksregierung
Die Behörde in Arnsberg wollte eigentlich – wie berichtet – noch in diesem Jahr den Beschluss veröffentlichen, ob Amprion die Stromtrasse von Dortmund-Kruckel über Herdecke nach Hagen-Garenfeld bauen darf. Nach derzeitigen Erkenntnissen ist mit einer Entscheidung zum Planfeststellungsverfahren aber erst 2018 zu rechnen, wie Werner Isermann von der Abteilung Bergbau/Energie auf Anfrage sagte. Das habe mehrere Gründe.
Nach dem Erörterungstermin in diesem Frühjahr hatte die Bezirksregierung die Firma Amprion aufgefordert, bis Ende September weitere Stellungnahmen zu 43 Anträgen einzureichen. Diese Bewertungen liegen in Arnsberg noch nicht vor, sollen nach Einschätzungen von Isermann aber bald eintreffen. „Das müssen gerichtsfeste Angaben sein, diese einseitigen Positionen Amprions müssen wir uns dann auch noch einmal genau anschauen“, so der Verfahrensleiter, der weiterhin Gutachten zu bestimmten Aspekten nicht ausschließt.
Für zeitlichen Verzug sorgen zudem kleinere Planänderungen in Hagen-Bathey, dort geht es um Abstimmungen zwischen Amprion, der Stadt, Firmen und Privatleuten. „Die Stadt Hagen hat darauf gedrängt, dass ein Mast, der ursprünglich nahe des Seeufers stehen sollte, näher an die DB-Gleise herangerückt wird, um die für diesen Bereich geplante Freizeitentwicklung am Seeufer nicht zu beeinträchtigen“, heißt es dazu aus dem Hagener Rathaus. Die Hagener Stadtverwaltung habe aber keine Einwände gegen die vorgeschlagene Trassenführung in Bathey, wisse aber von Bedenken einiger Anwohner.
Regierungspräsident
Ende August rückte nun Hans-Jürgen Vogel auf den Stuhl des Regierungspräsidenten in Arnsberg. Kürzlich kamen Irritationen auf, da der oberste Dienstherr nichts von den Herdecker Sorgen und einer Alternativtrasse wisse. Laut Isermann ist der oberste Dienstherr Vogel mittlerweile im Bilde. Unklar sei noch, ob der bisherige Verfahrensleiter am Ende den Planfeststellungsbeschluss unterschreibt oder ob der Regierungspräsident dies aufgrund der übergeordneten Bedeutung übernimmt.
Auf Anfrage berichtete Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster, dass Vogel nun Anfang November einen Gesprächstermin in Herdecke hat (auch Nadja Büteführ und Ralf Kapschack von der SPD luden ihn zum Gedankenaustausch ein). Ein wichtiges Thema werde dann auch die geplante Stromtrasse plus Alternativlösung sein, an der Besprechung sollen auch Bürger-Vertreter und Politiker teilnehmen.
Unterdessen weist Isermann den Vorwurf zurück, seine Abteilung habe die Alternativtrasse entlang der Autobahn 45 und 1 quasi verheimlicht. „Ich habe vor dem Erörterungstermin dafür gesorgt, dass die dazugehörige Amprion-Stellungnahme für jedermann lesbar veröffentlicht wird. Auf einem anderen Blatt steht, wie die Argumente zur Alternativtrasse aufgefasst werden.“
Amprion
Auf Anfrage teilte ein Sprecher mit, dass sich der Netzbetreiber nicht zu den Stellungnahmen bezüglich der 43 Anträge äußern will. Diese Antworten gehen zur Bezirksregierung, die darüber zu befinden habe. Isermann als Verfahrensleiter in Arnsberg sagte der Redaktion, dass er zu diesen Sachverhalten keine öffentlichen Aussagen plane, dies aber noch einmal überdenken wolle.
Bürger
Als zweites Schriftstück nach dem Wortprotokoll zum Erörterungstermin bekamen Herdecker nun Post mit korrigierten Angaben von Amprion. Der Netzbetreiber musste im Frühjahr eingestehen, dass er bei der Datenermittlung für betroffene Anwohner zum Teil falsche Abstände bezüglich der elektrischen und magnetischen Felder zugrunde legte.
Das Unternehmen betonte aber auch immer wieder, dass es stets die Grenzwerte einhalte. Auch die nachgelieferten Angaben beziehen sich auf Standard-Berechnungen, die vom NRW-Landesamt für Natur, Umwelt, Verbraucherschutz anerkannt sind und kaum Einfluss auf die Gesamteinschätzung der Bezirksregierung haben dürften.
Bürger-Vertretungen
Sowohl die Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom, die weiter Geld für eine mögliche Klage im Falle eines Beschlusses pro Trassenbau sammelt, als auch die Bürgerinitiative Semberg besprechen mit der Stadtverwaltung und Parteien die Lage. Sie wollen sich vor allem für die Betroffenen einsetzen, die nahe an der Trasse wohnen und überlegen, ob sie einen Fachmann zur Überprüfung der gesundheitsgefährdenden Daten einschalten. Lars Strodmeyer denkt an den Physiker Dr. Peter Nießen, der schon im Ender Gemeindehaus über Risiken durch elektrische und magnetische Felder aufklärte. David Hatzky bietet Betroffenen an, die Amprion-Ergebnisse an den Experten weiterzuleiten. Im Raum steht laut Wolfgang Heuer auch, den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet gezielt auf die Herdecker Belange aufmerksam zu machen.
Unterstützung erhalten sie alle weiter vom Berliner Fachanwalt Philipp Heinz. Gemeinsam planen sie, Akteneinsicht zu den bald vorliegenden Amprion-Stellungnahmen zu fordern. „Ich gehe aber nicht davon aus, dass sich an der Gesamtlage etwas ändert“, sagt Heinz und ist gespannt, wie im Abwägungsbeschluss die Alternativtrasse bewertet wird. „Wir bereiten uns intern auf alles vor und kämpfen bis zuletzt, es hat schon manche Überraschung gegeben.“
Stadt Herdecke
Die Bürgermeisterin tauschte sich zuletzt sowohl mit den Bürger-Vertretungen als auch Politikern von SPD, CDU, Grünen und FDP aus. Der Fokus der Verwaltung liege nach Absprache mit Rechtsanwalt Heinz weiter auf der Alternativtrasse an der Autobahn, darauf wies sie per Schreiben auch den neuen Regierungspräsidenten hin. Die Herdecker geben den Kampf nicht auf, wie Katja Strauss-Köster sagte: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“