Herdecke. . Die BI Semberg und Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom wollen den Bau der Amprion-Stromtrasse verhindern. Dazu gab es einen info-Abend.
- Bürger-Gruppen bereiten Betroffene auf Erörterungstermin vor
- Physiker warnt angesichts gesundheitlicher Gefahren
- Stadt Herdecke spricht sich für Autobahn-Variante aus
Mittendrin taucht eine Frage auf, die viele Unklarheiten zusammen fasst: „Warum brauchen wir die neue Stromtrasse überhaupt?“, will eine Bürgerin im Ender Martin-Luther-Gemeindehaus wissen. Dort stehen Vertreter der Bürgerinitiative (BI) Semberg und der Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom vor 200 Gästen, um letzte Informationen zum Erörterungstermin zur geplanten 380-Kilovolt-Freileitung des Netzbetreibers Amprion zu geben.
Am bzw. ab dem 21. März können betroffene Bürger, die eine Einwendung an die Bezirksregierung Arnsberg geschrieben haben, im Saalbau Witten letztmals ihre Bedenken verdeutlichen oder Fragen zu dem Projekt stellen. „Es wird ernst“, sagt daher Lars Strodmeyer von der Prozessgemeinschaft zur Begrüßung. Der Moderator an diesem Abend am Kirchender Dorfweg merkt an, dass diese Trasse durch das Stadtgebiet alle Herdecker etwas angehe und es enttäuschend sei, dass wenige zuvor das halbe Dutzend Ehrenamtler von der BI und Prozessgemeinschaft unterstützt hätten.
Stadt befürwortet Autobahn-Trasse
In einem Vortrag erläuterte Bürgermeisterin Strauss-Köster, warum die Stadtverwaltung die Alternativtrasse an den Autobahnen bevorzugt. „Amprion lehnt das ab, da es dort neue Belastungen gebe. Aber was ist mit den vorbelasteten Herdeckern? Die werden direkt überspannt, an der A1 und A45 wären die Abstände zu Wohnsiedlungen größer.“
Detlef Plett von der Bürgerinitiative Semberg berichtete zudem, dass von Seiten der Umweltverbände keine Klage gegen den Trassenbau zu erwarten sei. Das haben Gespräche mit der Landesgemeinschaft Naturschutz ergeben. Grund: Da viele Herdecker die Autobahntrasse bevorzugen und dort Natur bzw. Wälder zerstört würden, kam es demnach zu keiner Einigung.
Herdeckes frühere Planungsamtsleiterin Doris Voeste merkte an, dass bei der neuen Trasse in der Stadt viele Wunden in der Natur durch Mastbauten entstehen.
Umso wichtiger sei die Bündelung der Kräfte auf der Zielgeraden, etwa mit Geldspenden erst für die Semberger und dann bei einer möglichen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht an die Prozessgemeinschaft. Doch so weit ist es noch nicht, gemeinsam wollen Herdeckes Stadtverwaltung und die zwei Gruppen mit Anwalt Philpp Heinz den Bau der Trasse verhindern. „Die gehört an die Autobahn oder unter die Erde, das Schutzgut Mensch steht an erster Stelle“, sagt Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster.
Viele leben nahe des Korridors
Vor vielen Betroffenen, die in einem Korridor von 100 oder 200 Metern an oder gar unter den neuen Masten leben würden, berichtet dann Dr. Peter Nießen über gesundheitliche Gefahren durch Höchstspannungsleitungen. Der Physiker klärt auf, welche Risiken (Krebs, Fehlgeburten, Leukämie) durch elektrische und magnetische Felder entstehen. Der vereidigte Sachverständige berichtet, dass im Ausland zum Teil höhere Grenzwerte zum Schutz der Menschen gelten und Erdkabel trotz hoher Belastung in unmittelbarer Nähe die bessere Lösung angesichts geringerer Seitenwirkung seien. „Hier wird etwas für die nächsten Jahrzehnte angelegt. Für mich wäre es bei einer erhöhten Stromspannung auch logisch, die Abstände zwischen Wohnhäusern und Trasse zu erhöhen“, kritisiert Nießen die NRW-Bauleitplanung.
„Nicht bürgerfreundlich“
Nicht die einzige Kritik. Nach dem Vortrag mit Fragemöglichkeiten lassen Betroffene Dampf ab. Der Erörterungstermin an einem Vormittag mitten in der Woche zeige die Geringschätzung der (arbeitenden) Bürger. Manch einer hält den Bau schon vor der Genehmigung „für eine abgekartete Sache“, andere befürchten einen großen Wertverlust ihrer Grundstücke oder Häuser.
Abschließend hält Strodmeyer fest, dass die 380-kV-Leitung technisch nicht nötig sei und wohl zur Ersparnis von Durchleitungskosten diene. Mit Blick auf die dort angesiedelte Schraberg-Grundschule und den GVS-Kindergarten Sperlingsweg meint er: „Das ist eine Sauerei. Kämpfen Sie mit uns, den Bau der Stromtrasse zu verhindern!“