Hagen. . Reinhard Mey bleibt Reinhard Mey – aber so leidgeprüft schwermütig wie bei seinem Konzert in der restlos ausverkauften Hagener Stadthalle haben seine Fans den „Spielmann, Gaukler, Träumeverkäufer“ (Selbsteinschätzung) noch nie erlebt.

Die Tournee 2014 von Reinhard Mey heißt: „Dann mach’s gut“ - das klingt sentimental, nach Abschiednehmen. Tatsächlich schleicht „der große Junge der Liedermacherszene“ auf die Rampe, als würde er uns für immer Adieu sagen. Doch aufhören? „Nein“, stellt der „bald 72-jährige dynamische Jung-Spund“ klar, das wolle er nicht. „Ich habe meinen Zenit noch vor mir“, kokettiert „der Spielmann“. Warmer Applaus.

2014 war ein trauriges Jahr

2014 war für Reinhard Mey, das wissen seine treuen Anhänger, ein sehr trauriges Jahr. Im Mai verstarb Sohn Maximilian (32), der fünf Jahre lang im Wachkoma gelegen hatte. In dem Lied „Mach’s gut“, das Mey nahezu hinhaucht, verarbeitet er seinen Schmerz. Die Zuhörer sind tief beeindruckt. Stille. Nein, dies wird kein Mitklatsch-Abend.

Doch schon blitzt in Reinhard Mey wieder „der Gaukler“ auf: Er bejauchzt amüsante Episoden aus dem Straßenverkehr, flötet das „Danke an die liebe, gute Fee“, schmollt in der Hommage an einen guten Freund: „Wein, Wein, Wein“.

Eine unerwartete musikalische Ehrung geht an den Kollegen aus der Schlager-Ecke, Wolfgang „Wolle“ Petry, dem er mächtig Respekt zollt – weil der auf dem Höhepunkt seines Erfolgs einfach aufhörte.

Handwerklich geschickt gedrechselte Verse

Eingängige Mitsumm-Melodien und handwerklich geschickt gedrechselte Verse, so kennen und lieben wir Reinhard Mey seit vier Jahrzehnten: Er spießt die Absurditäten des Alltags auf, karikiert die großen und kleinen Stolpersteine des Lebens, feinsinnig und humorvoll. Er beherrscht das Wechselspiel der Emotionen, die nachdenklichen Momente und jene, die sein Publikum zu schallendem Lachen bringen, wenn er es denn will.

Diesmal wollte er es nicht allzu oft. „Der Spielmann“ im Scheinwerferlicht ist noch leiser, noch besinnlicher geworden als sonst. Das ist sicherlich der persönlichen Situation des Liederbarden geschuldet. Während des gesamten Konzerts liegt ein Hauch von November-Blues in der Luft.

War es 1972 die fröhlich-flotte Annabell („du bist so herrlich intellektuell“), gibt es jetzt ein traurig-getragenes Nachfolge-Lied über eben jene Annabell, „die Bikerin“, das nunmehr von einem schweren Motorrad-Unfall handelt.

„Über den Wolken“ in Moll-Variante

Und: Dass selbst das wohlvertraute „Über den Wolken“ in einer scheinbaren Moll-Variante ertönen kann, habe ich mir das tatsächlich bloß eingebildet? „Vaters Taschentuch“, „die bunten Bänder im Haar meiner Tochter“ – überall klang Wehmut durch: Abschiede über Abschiede, von Lied zu Lied.

Ein roter Faden, ungewollt oder gewollt, der bei den Zuhörern dennoch kein Trübsal hinterließ. Das war ein Reinhard Mey, der diesmal wirklich überraschte: mit einem sehr persönlichen Abend und leidgeprüfter Fröhlichkeit.