Hagen. Mit einer Mitarbeiterin des Umweltamtes waren wir im Naturschutzgebiet „Lange Bäume“ unterwegs.
Hinter den Tannenzweigen ist das Schild kaum zu sehen. Beinahe vollständig wird das grüne Dreieck von einer dicht bewachsenen Fichte verdeckt, deren Äste es in die Arme zu schließen scheinen. Das ist natürlich eine treffende Gesellschaft für ein Naturschutzgebiet-Eingangsschild, mag aber zuweilen nicht ganz eindeutig für Fußgänger sein, die ihre Hunde gerne auch hier frei herumlaufen lassen.
Wir befinden uns am Süd-Ost-Rand des Naturschutzgebietes „Lange Bäume“, das sich auf 13,2 Hektar südlich der Straße „Zur Hünenpforte“ erstreckt. Annegret Schulte vom Hagener Umweltamt ärgert sich über die Hundehalter, deren Lieblinge durch das Gehölz tollen. „Sie scheuchen die Tiere auf und sorgen für Unruhe“, erzählt die studierte Biologin, „dabei sollte doch jeder wissen, dass das Naturschutzgebiets-Schild bedeutet, dass man nicht vom Weg abgehen darf. Und, dass Hunde hier an die Leine gehören.“
Fichten im Buchenwald
Das Naturschutzgebiet Lange Bäume gehört zum FFH-Gebiet „Kalkbuchenwälder bei Hohenlimburg“, genauso wie die Gebiete Mastberg und Weißenstein, Hünenpforte und Raffenberg. Die Vegetation wächst auf Kalkgestein: Das wiederum entstand aus einem Korallenriff, das sich vor 680 Millionen Jahren von Iserlohn bis nach Wuppertal erstreckte.
Buchenwald? Was macht dann die Fichte hier? „Würde man die Natur sich selbst überlassen, würde hier ein reiner Buchenwald stehen“, erklärt Schulte, „aber einem Eigentümer muss es einst gefallen haben, Fichten zu pflanzen. Sie wachsen schneller als Buchen. Und sie sind leicht abzuholzen. Deshalb gibt es im Naturschutzgebiet auch Nadelwald.“
"Glatte Rinde und wellenförmige Blätter"
Wir gehen ein Stück in Richtung Westen, um das Naturschutzgebiet herum. Hier stehen Felder, auf denen Weizen und Mais angebaut werden.
Die Sicht ist großartig: Der Raffenberg und der Hang, an dem das Schloss Hohenlimburg steht, sind gut zu sehen. Plötzlich macht der Waldrand einen Schlenker, jetzt erheben sich mächtige Buchen vor uns und laden uns regelrecht ein, den breiten Wanderweg in das Naturschutzgebiet zu beschreiten.
„Glatte Rinde und wellenförmige Blätter zeichnen die Buchen aus“, erklärt Schulte und deutet auf drei sehr nah beieinander stehende Baumstämme. „Es gibt zwar auch Bäume, die in mehreren Stämmen aus einer Wurzel wachsen. Die Buche zählt aber nicht dazu: Hier müssen drei Bucheckern auf engstem Raum gediehen sein.“
Pflanzen können riechen
Die Bäume pflanzen sich durch kleine Früchte fort, die im Heranwachsen mittel- bis hellbraun aussehen und schließlich, wenn sie reif sind, aufplatzen und jeweils vier Bucheckern enthüllen. Die drei sich umarmenden Bäume am Wegesrand sind also nicht unbedingt eine Seltenheit, wahrscheinlich sind sie sogar miteinander verwandt.
Eine richtige Gemeinschaft ist das Ökosystem Buchenwald: Das äußert sich auch dadurch, dass er typischerweise in Gesellschaft von drei Mitbewohnern vorkommt. Waldmeister, Orchideen und Perlgras. Diese Pflanzen harmonieren mit den Buchen, da sie ihnen den Lebensraum bieten, in dem sie am besten gedeihen. „Auch im Hochsommer ist es recht kühl, aber das Blätterdach ist nicht vollständig lichtundurchlässig“, erklärt Schulte, „das lädt bestimmte Pflanzen geradezu ein, sich dazu zugesellen. Und das, obwohl die Buchen keine Duftstoffe aussenden, die bestimmte Pflanzenformen riechen können. Denn das gibt es auch in der Natur – genau wie bei Tieren und Menschen, die Pheromone aussenden.“
Dolinen durch eingestürzte Dächer
Ein flauschiges Bett aus Perlgras umringt die massigen Buchenstämme, die teilweise ein Alter von 80 bis 120 Jahren haben. Der breite Weg schlängelt sich durch diese heimelige Umgebung.
Ein naturkundlicher Lehrpfad gibt stationsweise einen Überblick über die Besonderheiten des Naturschutzgebietes.
Auf Übersichtstafeln erfährt der Besucher zum Beispiel, was eine Doline ist. Annegret Schulte erklärt: „Durch das Kalkgestein sickert das Wasser leicht ein. So entsteht ein unterirdischer Bach, doch da der Kalk so porös und zerbrechlich ist und sich durch die Säure im Regen zersetzt, stürzt irgendwann das ,Dach’ über dem Bach ein. Das nennt sich dann Doline: Sie sind als längliche Vertiefungen im Waldboden erkennbar.“