Vorhalle. Ruhende Gewässer prägen das Naturschutzgebiet Kaisbergaue im Hagener Norden. Sie schmiegen sich wie an einer Perlenschnur aufgereiht an den Auenrand. Mit dem Eisenbahnviadukt durchzieht ein imposantes Bauwerk das Areal.
Perlenschnur – ein schöner Begriff. Klingt irgendwie edel, nach wertvollem Geschmeide. Doch wir sprechen hier nicht von teurem Schmuck, obwohl es sich zweifelsohne um etwas Wertvolles handelt: Wir reden – und schreiben – vom Naturschutzgebiet Kaisbergaue und seinen Stillgewässern, die sich wie eine Perlenschnur an den Auenrand schmiegen. Wir sind unterwegs mit Ria Tommack, Hans Karl de Myn sowie seinem Sohn Björn.
Das Naturschutzgebiet Kaisbergaue liegt zwischen Ruhr und Kaisberg und gilt mit seinen 20 Hektar Fläche als mittelgroßes Gebiet. Gut die Hälfte – 11,5 Hektar – des Geländes gehört der Familie de Myn. „Ja, überwiegend Brachfläche, Heuwiesen und Teiche“, konkretisiert Hans Karl de Myn. „Früher, Anfang der 60er Jahre, weideten hier noch Rinder und es gab einen Stall, doch jetzt darf die Fläche nur noch als Heuwiese und nicht als Acker genutzt werden, da sie Hochwassergebiet ist.“
Problem der Verlandung
Wir laufen die Straße entlang Richtung Eisenbahnviadukt. „Die Stillgewässer, also Weiher, sind geprägt durch das Sinken oder Steigen des Grundwassers der Ruhr“, erklärt Ria Tommack. „Wir kämpfen hier gegen das Problem der Verlandung durch Laub und absterbende Wasserpflanzen“, fährt die Expertin, die seit 20 Jahren als Mitarbeiterin beim Umweltamt beschäftigt ist, fort. „Nun ja, Verlandung ist normal, dann folgt Moorland. Man sollte der Natur ihren Lauf lassen“, räumt de Myn ein. „Aber nach der Vermoorung würde das Gewässer irgendwann ganz verschwinden. Daher ist hier Naturschutz durch Pflege gefragt“, beendet Tommack die Diskussion zwischen zwei Experten.
Berg-Ahorn, Schwarz-Erlen und Bergmolche fühlen sich hier wohl
Das Naturschutzgebiet Kaisbergaue liegt im Naturraum Niedersauerland, hier genauer gesagt im Hagener Tälerkessel. Schon die besondere Eigenart und Schönheit der Ruhraue ist schützenswert.
Besonders die Stillgewässer mit ihren Uferzonen, die seltene Pflanzen- und Tierarten beherbergen (auch zum Beispiel Röhrichtflächen!) sind erhaltenswert. Am Straßenrand hat die Biologische Station Informationstafeln aufgestellt. Die Benutzung des Zufahrtsweges zur Kaisbergaue und zur Hagener Kläranlage ist nur eingeschränkt erlaubt. In einem Schutzstreifen um die Weiher darf keine landwirtschaftliche Nutzung stattfinden. Die Aue besteht überwiegend aus fettem Grünland auf Auenboden und wird zur Straße hin von Berg-Ahorn und Schwarz-Erlen begrenzt. Die Teiche bieten Amphibien einen wertvollen Laichraum. Der Bergmolch ist die häufigste Art im Gebiet. Damit die Teiche nicht verlanden, werden sie von Zeit zu Zeit entschlammt. Das Grünland wird ein- bis zweimal im Jahr zur Heugewinnung gemäht. Im Naturschutzgebiet liegt auch ein Kulturdenkmal – der Eisenbahnviadukt, der gebaut wurde, um Herdecke an die Linie der Bergisch-Märkischen Eisenbahn anzuschließen. In seinem Baujahr 1877/78 galt er mit seinen zwölf Bögen als technisches Meisterwerk. Mit dem Bus erreicht man die Kaisbergaue problemlos. An der Haltestelle Brüninghausstraße aussteigen, dann folgt ein kurzer Fußmarsch.
Ein Blick über das Gelände: „Die gelbe Seerose ist beinahe verschwunden. Vor zehn Jahren rollten hier die Bagger, danach ist die Pflanze fast ausgestorben“, bedauert de Myn. Trotzdem – der Bereich der Perlenschnur ist reich an Natur. „Durch die Gewässer haben wir hier einen hohen Insekten- und Amphibienanteil“, freut sich die engagierte Landschaftsplanerin. „Allein 15 Libellenarten schwirren übers Wasser. Und 16 Tagfalter, also Schmetterlinge. In den hier wuchernden Brennnesseln haben die Schmetterlinge eine gute Futterquelle.“
Sieben Heuschrecken-Arten
Die Aufzählung ist noch lange nicht beendet: Sieben Arten von Heuschrecken tummeln sich in der Wiese, und drei Arten von Fledermäusen leben in diesem Gebiet. Darunter die Zwergfledermaus, die Mauerritzen liebt. „Und auch Fasane gibt es hier,“ ergänzt Ria Tommack.
Hans Karl de Myn begrüßt die Ansiedlung der etwa 20 Hennen und Hähne: „Wir bejagen sie nicht. Im Gegenteil, im gesamten Ruhrtalrevier füttere ich pro Jahr um die zwei Tonnen Weizen. Natürlich müssen die von uns am Rande des Naturschutzgebietes aufgehängten Futtereimer stets bestückt sein, sonst bleibt der Fasan nicht.“ Knackpunkt: Der Fasan stammt ursprünglich nicht aus dieser Region, sondern aus dem Vorderen Orient. Wohlhabende Herrschaften haben die schönen Vögel hierher geholt, haben Fasanerien gegründet. Doch Naturschützer kümmern sich eigentlich primär um Tiere, die vom Ursprung her in der heimischen Region ansässig sind. Wenn es an der Kaisbergaue Felder gebe, hätte sich der Fasan auf natürlichem Weg (ohne Zufütterung) selbst dort eingebürgert.
Zu trubelig
Früher gab’s Fasane in Werdringen. Durch den Wasserschlossbetrieb ist es den Vögeln dort aber zu trublig geworden. „Ruhe ist für Tiere und Pflanzen eben das A und O“, resümiert de Myn. Wir ziehen weiter, die Perlenschnur stets im Blick. Der letzte kleine Teich ist eine Art schwimmende Insel. Idyllisch . . .
Doch idyllisch geht’s hier leider nicht immer zu. „Hier rücken Leute mit Badetüchern an und sonnen sich auf den Wiesen. Hundebesitzer lassen ihre Hunde einfach frei herumstreunen. Und ganz unverschämte Zeitgenossen zelten hier sogar“, wettert Björn de Myn. „Viele Leute haben nicht nur einfach dicke Nerven, nein, was sie machen ist Hausfriedensbruch.“
20 Krötentunnel
Wir begeben uns auf die Asphaltstraße. „Einen Weg zum Klärweg gab’s schon immer. Doch die Straße wurde vor rund zehn Jahren angelegt. Genau wie die etwa 20 Krötentunnel“, erläutert de Myn sen. Hier schnöder Asphalt, dort am Rand kleine, wilde Erdbeeren – ein schönes Bild.
Was es sonst noch Interessantes über das Naturschutzgebiet zu sagen gibt? Ganz viel. Aber an dieser Stelle jetzt nur noch das: 15 Angelplätze, die von den Mitgliedern eines bestimmten Angelvereins genutzt werden dürfen, findet man am Ufer. Und auf dem größten Teich der Perlenschnur schwimmt Entengrütze. „Die beschattet das Wasser und hält es dadurch kühler“, erläutert Hans Karl de Myn, der scheinbar für jede Besonderheit in der Natur eine Erklärung parat hat. Bewundernswert . . .