Hagen.

Alleinerziehend und damit perspektivlos auf dem Weg in die Berufswelt? „Absolut nicht“, widerspricht Jeanette Wölling vehement. Sie kümmert sich beim Hagener Jobcenter seit knapp einem Jahr als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) speziell um jene Kunden, die durch Betreuungsaufgaben – sei es für Kinder oder auch pflegebedürftige Angehörige – bei der Suche nach einer Beschäftigung immer wieder an ihrer speziellen Familiensituation scheitern. „Dabei gibt es inzwischen so viele Angebote und Fördermöglichkeiten“, versucht sie auch Resignierte zu motivieren, nicht aufzugeben, Alternativen zu prüfen, aber vor allem das Beratungsgespräch mit ihr zu suchen.

Im Juni dieses Jahres fanden sich exakt 2106 Alleinerziehende in der Kundenkartei des Hagener Jobcenters, mehr als 90 Prozent sind Frauen. „Viele sind motiviert, durch ihre besondere Familiensituation flexibel und lebenserfahren – alles Qualitäten, die Arbeitgeber sehr schätzen“, wirbt Jeanette Wölling für die menschlichen Qualitäten ihrer Kunden.

Das Gros hat keine Ausbildung

Dabei blendet sie selbstverständlich nicht aus, dass das Gros keine Ausbildung hat, oft noch nicht einmal einen Schulabschluss. Die Zahlen sprechen hier eine klare Sprache: 21,6 Prozent der Alleinerziehenden verfügen über keinen Schulabschluss, 45,8 Prozent können lediglich ein Hauptschul-Abschlusszeugnis vorlegen. Beides keine idealen Voraussetzungen, die die Türen zu einem Job auffliegen lassen. Immerhin ein Viertel der Jobcenter-Kunden bringt eine Ausbildung mit, 1,4 Prozent sind sogar Akademiker.

Doch selbst wenn die beruflichen Grundlagen vorhanden sind, bleibt der Weg in die Berufswelt für Hartz-IV-Empfänger mit Betreuungsverpflichtung holperig: „Wie soll eine Bäckereifachverkäuferin morgens zwischen 5 und 6 Uhr ihre Tätigkeit aufnehmen, wenn die Kita erst um 7 Uhr öffnet?“ fragt die Expertin vom Jobcenter eher rhetorisch. Gleiches gelte für viele Pflegeberufe. Zwar gebe es wenige Arbeitgeber, die flexiblere Arbeitszeitmodelle anböten, aber dafür müssten Schichtpläne umorganisiert oder individuelle Lösungen in Absprache mit den Kollegen geschmiedet werden.

Einzelgespräche

Punkte, bei denen Jeanette Wölling begleitend unterstützen kann. In Einzelgesprächen erarbeitet sie mit den alleinerziehenden Kunden des Jobcenters, wie die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit ermöglicht und gleichzeitig die Kinderbetreuung abgesichert werden kann. „Die Rahmenbedingungen müssen einfach stimmen.“ Kinderbetreuung ist letztlich kommunale Pflichtaufgabe – aber in punkto Randzeitenbetreuung – frühmorgens oder spätabends – finden Alleinerziehende hier bislang aber keine adäquaten Angebote. Ähnlich absurd die Konstellation beim offenen Ganztag an den Grundschulen: Plätze gibt es – rein mathematisch betrachtet – genügend. Allerdings ist nur anspruchsberechtigt, wer einen Job hat – ohne OGS-Platz können Alleinerziehende aber keinen Job annehmen . . .

Kompetenz und Selbstbewusstsein

Um mit Kompetenz und Selbstbewusstsein den Weg zurück auf den Arbeitsmarkt zu finden, bieten Jobcenter und Arbeitsagentur unter dem Titel „Mit großen Schritten zurück in den Job“ am 28. und 29. August eine Sommerakademie an.

Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung stehen Aspekte wie die Organisation eines Familienunternehmens, Zeitmanagement, kompatible Arbeitszeitgestaltung, Stressresistenz, Motivation oder auch Selbstpräsentation in einem Vorstellungsgespräch.

Die Veranstaltung findet jeweils von 9 bis 12 Uhr im Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit, Körnerstraße 98-100, statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Interessenten sollten sich jedoch anmelden bei Jeanette Wölling ( 367 58 745, E-Mail: jobcenter-hagen.BCA@jobcenter-ge.de) oder Regine Bleckmann ( 202 237, E-Mail: Hagen.BCA@arbeitsagentur.de).

Angesichts dieser organisatorischen Hürden auf dem Weg zum Arbeitsmarkt fällt es vielen Frauen leichter, noch weitere Kinder zu bekommen, anstatt sich mit Hilfe einer sozialversicherungspflichtigen Stelle auf eigene Füße zu stellen. „Auch mit Hilfe einer Teilzeit-Berufsausbildung, beispielsweise mit 30 Wochenstunden, könnte der Einstieg in die Arbeitswelt gelingen“, verweist Jeanette Wölling darauf, dass das Jobcenter diesen Weg bei Menschen mit Betreuungsaufgaben sogar ausdrücklich finanziell fördert.