Hagen. . Wir sprachen mit Ulrich Eisenhardt (76), emeritierter Juraprofessor und einer der Gründer der Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Fernuniversität Hagen und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, über Mediationsverfahren.

Ulrich Eisenhardt (76) ist emeritierter Juraprofessor und einer der Gründer der Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Fernuniversität Hagen und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Wozu brauchen wir Mediation als Mittel zur Streitbeilegung? Wir haben doch Gerichte.

Ulrich Eisenhardt: Die Mediation ist ein gesellschaftspolitisch hochinteressantes Thema und in vielen Bereichen ein angemessenes Werkzeug zur Schlichtung und bestenfalls zur Aussöhnung, etwa bei Familien-, Ehe- und Erbstreitigkeiten, bei Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn, aber auch in Unternehmen bei innerbetrieblichen Konflikten. Lassen Sie mich nur das Stichwort Mobbing anführen.

Der Mediator ist also ein Richter ohne richterliche Befugnis?

Eisenhardt: Nein. Der Mediator fällt kein Urteil, er wirkt von vornherein auf eine gütliche Einigung hin. Er muss auch kein Jurist sein, er lässt juristische Belange zunächst außen vor und stellt die Interessen der Beteiligten in den Vordergrund. Und er weist die streitenden Parteien auf die Vorteile einer friedlichen Kompromissfindung hin, denn ein etwaiger Gerichtsstreit kann nicht nur zu Feindschaften führen, sondern kostet auch häufig viel Geld.

Von einem Mediationsverfahren können also alle Seiten profitieren?

Eisenhardt: Ich war über viele Jahre regelmäßig in Japan tätig, unter anderem als Gastprofessor in Kyoto. Dort ist das Streitverhalten ein ganz anderes ist als bei uns. Es gibt viel weniger Gerichte und Anwälte. Die Japaner wissen, dass es im Falle eines Gerichtsurteils Gewinner und Verlierer gibt. Der Verlierer aber verliert sein Gesicht, und das ist in der japanischen Kultur schlimmer als der Tod. Schon deswegen vermeiden die Japaner gerichtliche Auseinandersetzungen und bauen auf im Konsens gefundene Einigungen, unter anderem auch in Mediationsverfahren.

Aber die Deutschen streiten nun mal gerne . . .

Eisenhardt: Nicht nur die Deutschen, sondern alle kontinentaleuropäisch und angelsächsisch geprägten Völker. Das hat mit unserer Mentalität und Tradition zu tun. Wer meint, er sei im Recht, der will das mit aller Macht durchfechten. In der Politik zum Beispiel ist es üblich geworden, dass eine Partei, die eine Abstimmung im Bundestag verliert, vor das Bundesverfassungsgericht (BVG) zieht. Dieses Gericht muss laufend zu Fragen des politischen Tagesgeschäfts Stellung beziehen, obwohl das in der Verfassung gar nicht vorgesehen ist. Das BVG sollte kein Ersatz-Gesetzgeber sein. Allerdings vermeiden auch in Deutschland große Unternehmen möglichst Gerichtsverfahren.

Warum?

Eisenhardt: Das hängt mit dem Image zusammen, mit dem Bild, das sie in der Öffentlichkeit abgeben wollen. Große Unternehmen stehen ja im Rampenlicht und wollen nicht als Prozesshansel verschrien werden. Ihre Verträge, die sie untereinander schließen, enthalten häufig Schiedsklauseln, die im Falle von Streitigkeiten ausdrücklich den ernsthaften Versuch einer gütlichen Einigung, allerdings ohne Mediator, vorsehen.

Sind die ehrenamtlichen Schiedsleute, die es ja in jeder Stadt gibt, nicht auch Mediatoren?

Eisenhardt: Richtig, sie werden in der Regel vom Rat bestellt und haben die Aufgabe, in weniger wichtigen Straf- und Zivilsachen, wie etwa nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen und Beleidigungen, zu vermitteln und auf einen Vergleich hinzuwirken. Mit komplizierten Sachverhalten sind sie naturgemäß überfordert.