Hagen. .
Auf Einladung der Juristischen Gesellschaft Hagen spricht am Donnerstag, 6. Juni, Professor Michael Bohlander von der University of Durham in England über „Die Scharia – Eine Einführung“. Der Vortrag über islamisches Recht wendet sich ausdrücklich nicht nur an Juristen, sondern an einen großen Kreis von Interessenten.
Bohlander gilt als ausgezeichneter Kenner der Scharia. Als einziger nichtmuslimischer Rechtswissenschaftler war er Gastprofessor an der Al-Azhar-Universität in Kairo. Von 1991 bis 2004 Richter am Landgericht in Thüringen, ist er seit neun Jahren Inhaber des Lehrstuhls für vergleichendes und internationales Strafrecht an der Durham Law School in Großbritannien. Dort gründete er zusammen mit einem iranischen Kollegen die Forschungsgruppe Islam, Law and Modernity. Derzeit arbeitet er an einem Forschungsprojekt zum Vergleich säkularer Rechtsprinzipien mit den Grundprinzipien der Scharia.
Der Vortrag in der Fernuniversität beginnt um 17 Uhr im Senatssaal (Raum B 121) des AVZ-Gebäudes, Universitätsstr. 21.
Ulrich Eisenhardt (75), emeritierter Professor für Rechtswissenschaften an der Fernuniversität, ist Vorsitzender der Juristischen Gesellschaft in Hagen.
Welche Bedeutung hat die Scharia für das deutsche Rechtssystem?
Eisenhardt: Eine nicht unbeträchtliche Zahl unserer Hagener Mitbürger lebt nach islamischem Recht. Darüber hinaus steht zu befürchten, dass sich neben der deutschen Justiz eine Art Schattenjustiz gebildet hat, die nach der Scharia urteilt.
Welche Anhaltspunkt für diese These haben Sie?
Nicht viele, zugegeben. In diesen Milieus wird vor allem geschwiegen, sie schotten sich regelrecht ab. Ich weiß aber, dass die Staatsanwaltschaft sich mit diesem Thema beschäftigt, vermutlich auch der Verfassungsschutz. Fest steht, dass viele Muslime in straf- bzw. zivilrechtlich relevanten Fragen, vor allem was Ehe- und Familie angeht, nicht die deutsche Justiz in Anspruch nehmen.
Was genau ist die Scharia?
Nun, in Westeuropa wird sie oft als Gesetzestext angesehen wie die Zehn Gebote der Christen. Aber so einfach ist es nicht. Das islamische Recht stützt sich zwar auf den Koran, doch haben islamische Rechtsgelehrte daraus eine Rechtsordnung, eine Art Gewohnheitsrecht, entwickelt. Es gibt auch nicht die eine Scharia, sondern unterschiedliche Auslegungen der einschlägigen Texte durch konkurrierende Rechtsschulen.
Aber egal welche Richtung – mit unserem Werteverständnis ist die Scharia unvereinbar?
Das ist ja eben der Skandal, wenn – worauf vieles hindeutet – die Scharia in Deutschland auch mit den Teilen Anwendung findet, die mit der Werteordnung des Grundgesetzes nicht im Einklang stehen. Denn damit verbunden sind u.a. drakonische, mittelalterlich anmutende Strafen, die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft sowie ein gespaltenes Verhältnis zu den Menschenrechten und einer offenen Gesellschaft nach säkularem Vorbild. Wir wollen die Diskussion aber keineswegs emotionalisieren.
Das scheint schwer möglich . . .
Gerade weil Kenntnisse über die Grundlagen der Scharia oft nur bruchstückhaft vorhanden sind und ein verzerrtes Bild ergeben, soll der Vortrag meines Kollegen Bohlander einen Einblick in Hintergrund und Methodik der Scharia bieten.
Bedroht die Scharia unser Rechtssystem?
Im Moment sehe ich diese Gefahr zwar nicht, doch dass es einen rechtsfreien Raum gibt, ist unbestritten. Und wenn unter Muslimen Sanktionen und Strafen ausgesprochen werden, die unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung widersprechen, dann ist das verfassungswidrig. Unser Rechtssystem wird täglich missachtet, was die Stellung der Frau angeht.