Hagen-Boele/Altenhagen. Einkaufen auf dem Wochenmarkt hat viele Vorteile: Persönliche Beratung, Vielseitigkeit und das Wissen, woher die Knolle stammt, die man kauft. Dennoch haben viele Markthändler Umsatz-Rückgänge zu beklagen. Auch auf den Hagener Wochenmärkten sieht die Lage finster aus. Schuld ist nicht nur der demografische Wandel.

Rot, Grün und Gelb strahlen die Äpfel aus der Auslage den Kunden an. Ein verführerischer, süßlicher Duft steigt in die Nase, saftige Mangos locken von links, daneben aromatische Birnen, rechts liegen Steckrüben, Pastinaken und dicke Sellerieknollen bereit. Und alles unter freiem Himmel, an der frischen Luft, geschützt vor Wind und Wetter mit einer gestreiften Plane um den Marktstand. Doch die farbenfrohen Auslagen und appetitanregenden Aromen locken nur wenige Schau- und Kauflustige an: Von regem Markttreiben kann keine Rede sein.

Es ist Mittwoch, Wochenmarkt in Boele. Es sind vor allem ältere Menschen, die über den Marktplatz an der Schwerter Straße bummeln. Die meisten von ihnen kaufen seit Jahren hier ein, kennen ihre Händler mit Vornamen.

Alles was das Herz begehrt

Fisch, Fleisch, Backwaren, Obst und Gemüse, aber auch Kurzwaren, Kleidung und Socken – wahlweise mit oder ohne Gummi – gibt es hier zu erstehen. Er ist einer der neun Wochenmärkte in Hagen, auf denen es an unterschiedlichen Wochentagen zwischen sieben und 13 Uhr alles zu kaufen gibt, was das Herz begehrt. Viele Händler kommen seit 20 Jahren oder mehr hierher, um ihre Waren feilzubieten.

Hinter einem Stand mit Kurzwaren sitzt ein Mann, der ein bisschen aussieht wie der Weihnachtsmann. Es ist Andreas Oberließen, der als Socken Sepp’l mindestens stadtbekannt ist. Er ist seit über 40 Jahren Markthändler, verkauft Obst, Gemüse, Kurzwaren, Socken – und im Dezember Wurstspezialitäten auf dem Weihnachtsmarkt. Er kennt das Marktgeschäft. Und seine Probleme.

„Früher“, erzählt der Mann mit dem eindrucksvollen Rauschebart, „haben die Männer kräftige Arbeit geleistet, in der Hasper Hütte oder im Stahlwerk in Vorhalle. Und wer kräftig arbeitet, muss auch gut essen. Da gingen die Frauen jeden Tag auf den Markt, um frische und gute Lebensmittel zu kaufen. Auch feste Arbeitskleidung war gefragt, die gab es auch nur auf dem Markt.“

Umsatz rückläufig 

Mittlerweile hat sich die Zeit gewandelt, und mit ihr die Arbeitsverhältnisse. Nicht nur, dass es weniger körperlich beanspruchende Arbeit gibt, auch die gesellschaftlichen Strukturen haben sich geändert. Sowohl Männer als auch Frauen sind arbeitstätig, und in der Zeit des Wochenmarktes sind die meisten eben im Büro.

„Der Umsatz auf den Märkten ist in den letzten Jahren rückläufig“, bestätigt auch Marktleiter Alexander Frye. „Auf dem Wochenmarkt einzukaufen, hat viel mit Tradition zu tun. Wer gute Qualität anbietet, kann sich auch halten: Insgesamt lässt sich aber sagen, dass es immer weniger – und ältere – Kunden gibt, die immer weniger kaufen. Und auch die Anzahl der Händler geht zurück.“ Das liege auch am Arbeitsalltag der Händler, denn der sei zeitintensiv und anstrengend.

„Dienstags fahre ich um 3 Uhr morgens zum Großmarkt nach Essen“, erzählt Oberließen, „dann fahre ich nach Holland, um bei Obst- und Gemüse-Auktionen mitzubieten. Dann besuche ich meinen Erdbeerbauern und meinen Spargelbauern, je nach Saison. Die Waren bringe ich mit dem Kühltransporter ins Kühlhaus, und am Mittwoch stehe ich ab 5 Uhr morgens auf dem Markt, baue auf, lege aus, vekaufe.“

Gute Qualität erfordere eben Investition von Zeit und Geld: Der Kühltransporter kostet mal eben 70.000 Euro. Von den Billigwaren, die in den letzten Jahren ebenfalls vermehrt angeboten werden, hält Oberließen dabei gar nichts. „Die schaden dem Markt nur“, weiß der erfahrene Händler, „die Menschen merken sich, wenn sie ihre Mangos zu Hause wegschmeißen müssen, weil sie strohig oder faul innen sind.“

Für Händler wird es eng

Ob er glaubt, dass das Prinzip des Wochenmarktes heute noch Bestand hat? „Vor zehn Jahren hätte ich gesagt, ja. Und ich habe viele zuversichtliche Bekannte, die immer noch in ihre Stände investieren“, so Oberließen. „Aber es wird immer enger – seinen Lebensunterhalt kann man sich nur knapp mit dem Markthandel finanzieren.“

Das sagen die Händler:

Alfons Thomas: Wie gut das Geschäft läuft, hängt auch von der Einwohnerstruktur im Stadtteil an. In Emst läuft es besser als in Altenhagen – das Milieu ist ein anderes.

Sandra Karius: Wegen der Billigstände zahlen die Kunden nicht mehr den vollen Preis für Qualität. Und für viele junge Leute sind die frühen Marktzeiten problematisch.

Petra Stelzmann: Die Frische und Vielfalt auf den Märkten ist einzigartig, deshalb haben sie in jedem Fall Zukunft. Ich kann keine Verschlechterung feststellen.

Hans Rupp: Die Situation auf den Hagener Wochenmärkten ist traurig. Ich sehe keine Zukunft für das Markt-Konzept: Es ist nichts los, es kaufen höchstens Stammkunden.