Hagen. Aus der Hagener Elternschaft gibt es Kritik: Wer sein Kind erst mit drei Jahren in die Kita geben wolle, werde benachteiligt, weil die Unter-Drei-Jährigen-Betreuung massiv gefördert werde. Plätze in nahe gelegenen Kitas seien so oft schon besetzt. Das NRW-Familienministerium sieht die Stadt in der Pflicht.

Simone Schmalenberg und ihr Mann haben für sich die Entscheidung getroffen: Ihr jüngstes Kind, das im Dezember 2012 geboren wurde, soll erst im August 2016 mit fast vier Jahren in den Kindergarten gehen. Doch ihre Wunsch-Einrichtung, die Katholische Kita in Eilpe, wird dann wahrscheinlich keinen Platz für sie haben. Die Schmalenbergs führen das auf die massive Förderung von Kita-Plätzen für Unter-Drei-Jährige zurück. Und sie sind damit nicht allein: Landesweit ist eine Diskussion entbrannt, ob Kleinstkinder bevorzugt werden. Und Eltern, die sich bewusst entscheiden, ihr Kind erst später in die Kita zu schicken, das Nachsehen haben.

Die Schmalenbergs haben bereits zwei Kinder zu der Kita, die quasi direkt vor der Haustür liegt, geschickt. Eines ist seit vergangenem Jahr in der Schule, das zweite bleibt noch bis 2015. Sie sind also beide nicht mehr da, wenn das dritte Kind 2016 in die Kita soll – die Regelung, das Geschwister Vorrang haben, zieht dann nicht mehr.

Stadtweit wird Bedarf erfüllt

Doch auch sonst konnte die Kita-Leitung nur eine negative Vorhersage treffen: Weil mit Landesmitteln Plätze für Unter-Drei-Jährige neu geschaffen und einige Über-Drei-Jährige-Plätze im Gegenzug abgebaut wurden, wird es eng. Denn alle, die schon als Unter-Dreijährige ihre „Kita-Laufbahn“ begonnen haben, sollen sie auch in der Einrichtung beenden. Zugespitzt gesagt: Die Kleinstkinder besetzen schon jetzt die zukünftigen Plätze. Simone Schmalenberg wurde daher auch geraten, ihr Kind doch schon jetzt anzumelden. Doch das will sie nicht: „Ich habe mich ja bewusst dafür entschieden.“ Einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz hat sie zwar – doch der bezieht sich auf das gesamte Stadtgebiet. Im Zweifelsfalle müssten die Schmalenbergs also einen weiten Weg in Kauf nehmen.

Sind sie nur ein Einzelfall? Wie viele Fälle es in Hagen gibt, ist derzeit schwer zu sagen, doch Simone Schmalenberg muss nur in ihre Nachbarschaft schauen. Dort hat Susanne Soppa das gleiche Problem. Sie wollte ihr Kind auch erst mit drei Jahre in die Kita geben und hat eine Absage bekommen.

Keine konkreten Beschwerden

Auch der Stadtverwaltung sind solche Fallkonstellationen bekannt. Konkrete Beschwerden lägen aber noch nicht vor. Im aktuellen Kindergarten-Jahr gibt es derzeit 1014 U-3-Plätze und 4534 Ü-3-Plätze. Für das kommende Kita-Jahr gilt aber: Es werden im U-3-Bereich 175 Plätze hinzukommen, im Ü-3-Bereich werden aber 20 weniger zur Verfügung stehen.

Eine flächendeckende Reduzierung werde aber mit einer Reihe von Neubaumaßnahmen verhindert. Und: Nach dem bisherigen Stand des Anmeldeverfahrens würden stadtweit alle Betreuungsbedarfe (U 3 und Ü3) erfüllt.

Sieben der 14 Plätze noch nicht besetzt

Von einem allgemeinen Problem will auch NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) nicht sprechen. „Der Rechtsanspruch für Über-Drei-Jährige wird weiter gewahrt“, sagte sie unserer Zeitung gestern in Hagen, wo sie am Loxbaum die Kita Oase besuchte. Doch auch dort gibt es das Phänomen. Nach dem derzeitigen Stand des Anmeldeverfahrens waren sieben der 14 Plätze für Unter-Drei-Jährige noch nicht besetzt. Für die Über-Dreijährigen mussten aber schon Absagen erteilt werden.

Das Land sieht die Kommune in der Pflicht. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte Ute Schäfers Ministerium: Dafür zu sorgen, dass bei einem Ausbau von Ü-3-Plätzen gegebenfalls an anderer Stelle U-3-Plätze neu geschaffen würden, „ist eine klassische Aufgabe der örtlichen Jugendhilfeplanung und wird auch von dort wahrgenommen“.