Hagen. . Mit Hans-Dieter Schumacher und Jürgen Schädel verliert die Bauverwaltung der Stadt zwei strategische Planer. Die beiden gehen neben einigen anderen Mitarbeitern des Fachbereichs in den Ruhestand.
Der eine hat seinen Schreibtisch schon geräumt und das Büro ausgefegt, der andere wickelt bis Februar noch letzte Aufgaben ab. Mit Jürgen Schädel (65), Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung, -planung und Bauordnung, sowie Hans-Dieter Schumacher (65), Leiter der Verkehrsplanung, verlassen in diesen Wochen fast 25.000 Tage Stadtplanungserfahrung das Hagener Rathaus. Damit hat dieses Rathaus-Ressort innerhalb kürzester Zeit beinah sein gesamtes Stammhirn verloren.
Denn bereits vor einem Jahr verabschiedeten sich der stellvertretende Fachbereichsleiter Christian Strähler sowie Martin Schäfer, dort verantwortliche für Finanzen und Controlling sowie die Geschäftsführung des Stadtentwicklungsausschusses. „Wir müssen viele Dinge neu lernen“, ahnt Baudezernent Thomas Grothe, dass für ihn sowie den neuen Fachbereichsleiter Georg Thomys eine spannende Phase der Neuorientierung beginnt. Bis zum Jahr 2016 werden angesichts des fortschreitenden Personalabbaus 20 Prozent der Mitarbeiter im Vergleich zum Jahr 2008 dem Fachbereich aus Altersgründen den Rücken kehren.
Immenser Wissensverlust
Ein immenser Know-how-Verlust, der Grothe und seine Mannschaft immer häufiger dazu zwingt, auf externe Ingenieurbüros ausweichen zu müssen, um die Aufgabenflut bewältigen zu können. Mit dem uncharmanten Nebeneffekt, dass die Vorlaufzeiten deutlich steigen und das Rathaus schnelle eigenständige Handlungsfähigkeit verliert. „Zumal“, so die Erfahrung von Neu-Pensionär Schädel, „die Computersoftware der externen Dienstleister oft nicht mit den städtischen Programmen kompatibel ist.“ Grothe warnt: „Wir können uns nicht so sehr entkleiden, dass es uns am Ende an der Kompetenz fehlt.“
„Die Aufgaben sind auch nicht weniger geworden – im Gegenteil“, erzählt Schumacher, „mehr Bauanträge, mehr Klagen, mehr Kleinkram – mit einer schrumpfenden Stadt werden die Themen komplexer.“ Eine fachliche Rundumversorgung der Bezirksvertretungen werde es in Zukunft kaum mehr geben können, prophezeit der Hohenlimburger, dass die Planungsverwaltung künftig nur noch auf ausdrückliche Anfrage die Zeit finden wird, an den stundenlangen Sitzungen der Stadtteilparlamente teilzunehmen.
Gestaltungsspielräume limitiert
Zumal in Zeiten von Milliarden-Schulden und eng geschnürtem Konsolidierungskorsett die stadtplanerischen Gestaltungsspielräume zumindest auf mittelfristige Sicht limitiert bleiben. Da haben Schädel und Schumacher in den vergangenen Jahrzehnten zum Teil ganz andere Räder gedreht: „Insgesamt hat Hagen den Strukturwandel ganz gut gepackt – zumindest besser als andere Umlandgemeinden“, verweist der ehemalige Fachbereichsleiter auf das deutlich niedrigere Arbeitslosenquoten-Niveau als in anderen Ruhrgebietsstädten.
Die Entwicklung des Industriegebietes im Lennetal habe den Niedergang der Hasper Hütte bzw. das Aus der Klöckner-Walzstraße in Kückelhausen relativ erfolgreich abgefedert. „Allerdings müssen Bierkastenläger, Autohäuser sowie völlig überdimensionierte und weitgehend ungenutzte Expansionsreserveflächen heute als Fehlentwicklungen betrachtet werden“, legt Schädel angesichts des anhaltenden Gewerbeflächenmangels in Hagen den Finger gleich wieder in offene Wunden. Zumal man in Kückelhausen entlang des Konrad-Adenauer-Rings heute denselben Trend beobachten kann: Handel und Dienstleister – die optimale Ausnutzung von knappen Gewerbeflächen für produzierende Betriebe sieht eben anders aus.
Mahnende Kritik
Auch Hans-Dieter Schumacher spart in der Rückschau nicht mit mahnender Kritik beim Blick auf die Flächennutzung in Hagen: „Ein Baulückenkataster ist immer ein Thema gewesen, um die Ausweisung von Neubauflächen zu kontern. Diese Theorie ist bis heute gut und sollte auch immer in den Hinterköpfen bleiben. Allerdings laufen die Marktmechanismen oft anders.“ Auf der grünen Wiese baut es sich eben deutlich netter. Er erinnert jedoch daran, dass gerade in einer schrumpfenden Stadt die Infrastruktur nicht mehr so wirtschaftlich betrieben werden könne – erst recht nicht, wenn die Zersiedelung voranschreite.
„Beneidet werden wir inzwischen von den Kollegen aus anderen Städten für die Entwicklung der neuen Mitte“, blickt Schädel auf ein weiteres Vorzeigeprojekt der jüngeren Stadtplanungsgeschichte. „Sie ist nicht nur architektonisch gelungen, sondern bindet auch Kaufkraft“, will er künftig mit Neugier aus seiner Dortmunder Heimat verfolgen, ob die Eröffnung der Rathaus-Galerie im sich am Ende nicht doch kontraproduktiv auswirkt.
Umgehungen mindern Lärmbelastung
Positiv empfindet Schädel auch die weitgehende Verkehrsberuhigung der Innenstadt: Die meisten Fahrzeuge rollen um das Zentrum herum. „Allerdings“, so der ehemalige Fachbereichsleiter, „ohne den 20- bis 30-prozentigen Einwohnerschwund würde der Ring angesichts des Verkehrsaufkommens schon heute nicht mehr funktionieren.“ Dazu haben auch die weiteren Umgehungsstraßen in Haspe, Delstern, Eckesey und Boele beigetragen. „Ursprünglich wurden diese gebaut, um die Wohnquartiere zu entlasten und den Verkehr flüssig zu halten“, erinnert Schumacher. „Heute profitieren wir ein zweites Mal davon, wenn es um die Lärmbelastung der Menschen geht.“
Allerdings habe es die Stadtplanungspolitik versäumt, die einstigen Hauptstraßen im Anschluss zurückzubauen, attraktiv umzugestalten und den Menschen dort ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. „Wir müssen aufpassen, dass mit dem Bau der Bahnhofshinterfahrung dies rund um den Bodelschwingh-Platz nicht auch wieder versäumt wird“, empfiehlt der Verkehrsplaner mit seinem reichen Erfahrungsschatz.
Potenzial am Hengsteysee nutzen
Und auch Jürgen Schädel möchte nach seinen Jahrzehnten im Rathaus und der anhaltenden Diskussion rund um den Cargobeamer noch einen wohlwollend-konstruktiven Tipp hinterlassen: „Der Hengsteysee ist das beliebteste Freizeitrevier der Stadt – Hagen sollte dieses Potenzial endlich nutzen.“