Hagen. . Keiner hat ihn beauftragt, doch er arbeitet unermüdlich. Edmund Schwaiger sammelt Tag für Tag Müll im gesamten Hagener Stadtgebiet ein und führt darüber genau Buch: In 17 Jahren hat er 6517 Säcke Müll gesammelt. Das Portrait eines ungewöhnlichen Mannes.
Es soll Tage geben, an denen für die Müllwerker des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB) nichts zu tun bleibt. Die Stadt ist sauber, kein Fitzelchen Papier, kein Kronkorken auf Bürgersteigen und Gehwegen. Dann nicken sich die HEB-Männer, in dem sie ihr Werkzeug wieder verstauen, wissend zu: „Der Schwaiger war schon hier.“
Edmund Schwaiger (65) ist ein Phantom. Zwar dürften ihm die meisten Hagener schon begegnet sein, aber so richtig wahrgenommen haben sie ihn nicht. Er ist täglich unterwegs in der Stadt, aber obwohl er das, was er tut, für alle Hagener tut, wird es ihm kaum gedankt.
Sogar blaue Säcke zahlt er selbst
Sein Arbeitsgerät ist die Müllzange. Mit ihr klaubt Edmund Schwaiger – täglich und seit 17 Jahren – den Abfall vom Boden auf, mit dem andere Zeitgenossen die Umwelt belasten. Freiwillig. Unentgeltlich. Ehrenamtlich, wenn man so will, obwohl Schwaiger ja kein Ehrenamt bekleidet. Er sammelt den Müll ungefragt ein. Eine schmutzige, undankbare, unersetzliche Tätigkeit, die sich mit Gold nicht aufwiegen lässt.
6517 Säcke Müll, Schwaiger hat es genau protokolliert, hat der Mann mit der langen Zange bisher zusammengetragen, an den Straßenrand gestellt und vom HEB abholen lassen. Er markiert die Säcke mit einem grünen Etikett und der Aufschrift „gesammelt, Schwaiger“, damit die Müllwerker wissen, dass sie von ihm stammen. Sogar Oberbürgermeister Dehm hat „dieses großartige und vorbildliche Engagement“ hervorgehoben und Schwaiger die Ehrenamtskarte überreicht, die zum günstigen Eintritt in städtische Einrichtungen berechtigt.
Die blauen Säcke, in denen er den Abfall verstaut, bezahlt Schwaiger selbst. Und er säubert nicht nur die Innenstadt. Er ist in Wald und Flur unterwegs. Mit dem Auto oder dem Fahrrad fährt er in die Selbecke, nach Haspe, nach Hohenlimburg, nach Vorhalle, Boele und macht sauber, sauber, sauber. Aber warum tut er das, warum kann er an keinem Folienschnipsel, an keiner Scherbe vorübergehen, ohne sie aufzugreifen? Hat sein Sauberkeitsfanatismus gar etwas Manisches? Schwaiger, einst Automateneinrichter und seit einem schweren Motorradunfall Frührentner, gibt die einfachste aller Antworten: „Ich mag es nicht, dass meine Stadt zugemüllt wird.“
Wer Schwaiger auf seinem Müllkreuzzug begleitet, bekommt eine Ahnung davon, in welchem Ausmaß unsere Umwelt verschandelt ist. Alle paar Schritte zwackt die Zange Dreck, Plunder, Papier und Kehricht auf, den man sonst wohl übersehen würde. Schwaiger hat sich seine eigene Theorie zurechtgelegt: „Die Leute werfen ihren Müll absichtlich weg. Oder aus Langeweile. Auf jeden Fall hat dieses Verhalten krankhafte Züge.“
Mit Bürste Mülleimer reinigen
Vor der Johanniskirche: Scherben, Papiertaschentücher, Plastik. Auf der Volmetreppe hinter dem Rathaus: Verpackungen, ausgeschüttete Lebensmittel, Folien. Auf einem Lkw-Parkplatz in Delstern: Überbleibsel der Morgentoilette von Brummi-Fahrern. Im Sommer wandert Schwaiger mit Bürste, Schwamm und heißem Wasser durch die Stadt, um den Schmier von den öffentlichen Mülleimern abzuwischen, oder er fährt mit dem Fahrrad über Feld- und Waldwege und befreit die Verkehrsschilder mit Sprühflasche, Flitsche und Lappen von Moos und Aufklebern.
Ein alter Mann krieche herum und mache den Dreck weg, sagt Schwaiger über sich selbst, während die Zange zwackt, und dass er das nicht gerecht finde. Und dass er sich noch totsammele.