Hagen-Mitte. 20. Januar 2007: In einem Mehrfamilienhaus in der Reichsbahnstraße in Vorhalle geht das Leben des kleinen Sammy fast zu Ende. In seinem Kinderbettchen droht der Säugling zu verbrennen. Dem heldenhaften Einsatz eines Nachbarn und der Feuerwehr verdankt er sein Leben. Nun traf er seine Lebensretter.

Dieses Leben geht weiter. Gott, das Schicksal, Zufall, das Glück, ein Wunder. Vielleicht war alles zusammen der Grund dafür, dass dieser hübsche Schlingel, dieses lebendige Kind am 20. Januar 2007 nicht in seinem Bettchen verbrannte. Kein Satz kann seither über Sammys Lippen kommen. Seine Haut trägt Narben. Aber Sammy lebt. Sechs Jahre später machten er und seine Familie sich nun auf den Weg zur Feuerwache Mitte. Sammy war gekommen, um Danke zu sagen. Es ist die Geschichte eines kleinen Wunders.

Das Mehrfamilienhaus in der Reichsbahnstraße stand in Flammen. Dichter, heißer Rauch fraß sich durch die Zimmer. Sammys leibliche Mutter schaffte es in ihrer Not noch, zwei ihrer drei Kinder zu schnappen und flüchtete aus dem Haus. Der Säugling blieb in seinem lichterloh brennenden Kinderbettchen zurück. In 99 von 100 solcher Einsätze wäre der Neugeborene in dieser Situation dem Tode geweiht gewesen.

Bei dem Brand im Jahr 2007 in der Reichsbahnstraße in Vorhalle
Bei dem Brand im Jahr 2007 in der Reichsbahnstraße in Vorhalle © WP Michael Kleinrensing

Doch nicht an diesem Tag. Nicht an diesem 20. Januar 2007. Gott schickte einen Engel in die Flammenhölle. Er schickte den todesmutigen Nachbarn Bogdan Cichocki. Er stürzte sich in das verqualmte Kinderzimmer und riss den schon fast völlig verbrannten Säugling aus seinem Bett. Er sprintete aus dem Haus und traf vor der Tür auf den Einsatzleiter Alexander Zimmer. „Er drückte mir ein heißes Paket in die Hand. Nichts war zu erkennen. Alles war schwarz, alles voller Ruß.“ Erst als dieses heiße Paket zu schnaufen beginnt, erkennt Zimmer, dass er einen kleinen Menschen in den Händen hält.

„Was dann passiert ist, ist einfach unglaublich. Zimmer rief einen Notarzt aus der Kinderklinik des Allgemeinen Krankenhauses an, der zufällig an diesem Tag Dienst hatte. „Der hat alles stehen und liegen lassen und hat gesagt: Dieses Kind müssen wir retten.“ Es war Sammys großes Glück. 60 Prozent seiner Haut waren zweiten Grades verbrannt. In einer Spezialklinik retteten Ärzte später sein Leben.

Sammy kann nicht sprechen

Nun sitzt Sammy auf dem Fußboden der Feuerwache Mitte und malt mit Alexander Zimmer ein Bild. Seine neuen Geschwister krabbeln um ihn herum. Seit etwa sechs Jahren lebt der heute Achtjährige in einer Pflegefamilie. „Sammy war ein Geschenk“, sagt seine Mutter Kirsten.

Der Tag, an dem Sammy doch noch aus den Flammen gerettet wurde, entließ ihn nicht ohne Folgen zurück in seine Kindheit. Sammy kann nicht sprechen. Nur einzelne Worte verlassen seinen Mund. Er lernte viel später laufen als andere Kinder. Es sind die Spuren eines hypoxischen Schocks. Der Rauch hat Sammy die Worte genommen. Seine Haut wurde noch mehrfach operiert. Zweimal am Tag wird er eingecremt.

Entgegen aller Prognosen ist der bildhübsche Junge mit italienischen Wurzeln im Schoße seiner liebevollen Familie zurück in ein Leben gekehrt, in dem kein Tag vergeht, an dem ihm die Freude am Leben nicht anzumerken ist. „Er lacht viel, und er lacht auch mal dreckig“, freut sich seine Mutter.

Lebensretter sind berührt

Für Alexander Zimmer und Detlef Sembach, die beiden Feuerwehrmänner, die damals den Einsatz leiteten, war der Besuch des kleinen Sammys ein besonderer Moment. „Es ist uns erst zweimal passiert, dass Menschen noch mal vorbeigekommen sind, um sich zu bedanken“, sagt Zimmer. Der andere Fall war der von Alexandra Biederbeck, die nach einem schweren Autounfall mit einem Straßenbahn-Bus in Dahl im November 2009 noch an der Unfallstelle fast verstorben wäre, aber gerettet werden konnte.

Es gibt bei der Feuerwehr einen Spruch. Er mag platt klingen, doch er enthält plötzlich viel Wirklichkeit, wenn man den kleinen Sammy sieht: „Man gibt ein Paket auf, aber niemals ein Menschenleben.“