Hagen-Eckesey. Hunderte Schränke rollen jeden Tag in die Hallen des Sozialkaufhauses Werkhof in Eckesey. Doch dieser eine war anders als alle anderen. Als ein Mitarbeiter den abgeholten Schrank wieder aufgebaut hatte, machte er in einem Geheimfach einen erstaunlichen Fund. Gestern gab es dafür den gebührenden Lohn.

Der Satz fällt eher beiläufig. Fast geht er unter im Gewusel dieses Kaufhauses, in dem der Schlipsträger neben dem Sozialhilfeempfänger nach Möbeln guckt. In dem die Rechtsanwältin und die Reinigungsfrau gemeinsam nach Deko-Kram stöbern. Diese Worte sind so viel mehr Wert als 1300 Euro Finderlohn: „Ich ziehe meinen Hut vor Ihrer Aufrichtigkeit.“

Es war ein Schrank, wie Dragan Zdravkovic im Jahr Hunderte davon aufbaut. Das ist sein Job. Zwischen 7 und 16 Uhr. Jeden Tag. Im Sozialkaufhaus „Werkhof“ in Eckesey baut der 64-Jährige seit sieben Jahren die Möbel wieder zusammen, die das Werkhof-Team bei seinen unzähligen Touren durch die Stadt in Wohnungen und Häusern geschenkt bekommt.

Die einen verschenken es, die anderen holen es kostenlos ab

So funktioniert der Werkhof. Die einen verschenken es, die anderen holen es kostenlos ab, um es dann zu moderaten Preisen weiterzuverkaufen. Die halbe Stadt fährt darauf ab. In den Verkaufsräumen herrscht Durchgangsverkehr wie auf Gleis 18 des Hauptbahnhofs. Jeder kann hier Schnäppchen schlagen. Jeden Tag.

Einheitliches Preis-System bei allen Möbelstücken

Rund ein Achtel des Hagener Sperrmüllaufkommens, so schätzt Betriebsleiter Thomas Herzog, wird jährlich im Werkhof weiter verarbeitet.

Das Preis-System ist immer gleich: Es gibt einen Startpreis. Der wird, falls sich nicht sofort ein Käufer findet, halbiert. Letztes Angebot: für einen Euro.

25 Mitarbeiter arbeiten im Werkhof in Eckesey. Das Team rollt täglich mit vier Dreieinhalbtonnern durch die Stadt.

Als Dragan Zdravkovic gerade jenen Nussbaum-Schrank zusammengebaut hatte, um den sich diese Geschichte dreht, fällt ihm und seinen Kollegen auf, dass das Möbelstück aus den 70er-Jahren zwei Klappfächer unter der Bodenplatte hat. „Eines ging plötzlich auf. Es war leer. Und dann habe ich vorsichtshalber noch mal in das andere hineingeschaut.“ Dabei fiel Zdravokic eine Brieftasche in die Hände. Der Inhalt: 10.300 Euro.

Vier Dreieinhalbtonner im Einsatz

Die Möbelaufbauer waren total überrascht, dann war klar: „Wir müssen rausfinden, wer uns den Schrank gegeben hat.“ Das war nicht ganz leicht. Denn die vier Dreieinhalbtonner des Werkhofs rollen quer durchs ganze Stadtgebiet. Betriebsleiter Thomas Herzog machte den Abholort dann aber doch noch ausfindig. Eine Haushaltsauflösung auf Emst.

Gestern trafen Finder und Schrank-Abgeberin im Werkhof aufeinander. Die überglückliche Dame möchte nicht genannt werden, weil sie jene Menschen fürchtet, die eine Haushaltsauflösung auf kriminelle Ideen bringt. „Eigentlich hat die Geschichte das nicht verdient. Aber es ist besser so.“ Wer will es ihr verübeln?

Zehn Prozent Finderlohn

Als der Reporter vor Ort nachfragt, ob denn auch ein Finderlohn herausspringe, wird es emotional. Denn Werkhof-Mitarbeiter Dragan Zdravkovic hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass die Dame ihm 1300 Euro schenken würde. Für Zdravkovic, der für rund 900 Euro im Monat arbeitet, ist das eine nicht erwartete Finanzspritze. „Ich bin gerade umgezogen. Das hat mich auch einiges gekostet. Das passt jetzt gerade.“ Viel wichtiger aber ist der Moment, in dem der Finder der vorherigen Schrankbesitzerin die Hand reicht: „Ich bin berührt. Sie machen mir eine große Freude.“

Schon der vor ihrer Mutter verstorbene Vater der Schrankbesitzerin muss das Geld in dem Geheimfach versteckt haben. Wahrscheinlich, ohne es der Mutter zu erzählen.

30 Möbel-Touren täglich

Betriebsleiter Thomas Herzog: „Vor allem bei Haushaltsauflösungen noch mal ganz genau in die Möbelstücke gucken. Uns fällt sowas vor Ort auch nicht immer sofort auf.“ 30 Touren werden am Tag im ganzen Hagener Stadtgebiet gefahren.