Hagen/Düsseldorf. . Das Jobcenter, die VHS und der Vfl Eintracht Hagen sind auf die üble Masche von scheinbar gewerbsmäßigen Betrügern hereingefallen. Sie antworteten auf ein Schreiben der „Gewerbeauskunft-Zentrale“. Wenig später gab es Rechnungen über mehrere hundert Euro. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Eines Tages lag dieses Schreiben auf grauem Papier auf dem Tisch. „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ stand am Seitenkopf. Verbunden ist der Brief mit der Aufforderung, doch bitte die ohnehin vorliegenden Angaben zu Betriebsnamen, zur Betriebsstätte und zur Telefonnummer durch Branchenzugehörigkeit, E-Mail- und Internetadresse zu ergänzen.

Eine Mitarbeiterin der städtischen Volkshochschule hat das getan. Ebenso ein Mitarbeiter des Jobcenters. Oder ein Mitglied des VfL Eintracht Hagen. Sie alle sind jetzt in einer Internet-Adressbank erfasst. Und ihnen allen flatterte eine dicke Rechnung über mehrere 100 Euro ins Haus. Für eine Dienstleistung, die sie gar nicht wollten.

„Die VHS-Mitarbeiterin hat den Brief ausgefüllt und unterschrieben, weil er den Eindruck eines Amtsschreibens machte“, sagt Thomas Bleicher, Sprecher der Stadt Hagen. Und beschreibt damit, was laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf mehr als 100.000 Adressaten bundesweit dazu veranlasste, gutgläubig die fehlenden Angaben zu ergänzen und mit ihrem Namen zu zeichnen.

4500 Anzeigen insgesamt

Ein Umstand, der die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hat. Sie ermittelt gegen drei Hauptverdächtige und fünf weitere Beschuldigte aus dem Dunstkreis der Firma GWE-Wirtschaftsinformations GmbH, wie Sprecher Ralf Möllmann auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt.

4500 Anzeigen sind bislang bei der Ermittlern mit Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität eingegangen. Und allein diese Dimension führt dazu, dass einst mehr als 100 Fahnder ausschwärmten die Firmenzentrale sowie weitere Büros, Kanzleien und Wohnungen durchsuchten.

„Gewerbsmäßiger Betrug lautet der Verdacht“, erklärt Ralf Möllmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.

488 Einträge unter dem Ortseintrag Hagen

Im Internet gibt es diverse Beiträge und Empfehlungen zum Umgang mit der „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“. Auch über diverse Urteile wird diskutiert.

Unter dem Ortseintrag Hagen finden sich auf der Internetseite „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ derzeit insgesamt 488 Einträge.

Darunter sind zahlreiche Unternehmen, aber auch Kindergärten, Schulen oder karitative Organisationen wie der Verein Wildwasser e.V. oder der Kneipp-Verein Hagen.

Der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) schätzt laut Nachrichtenmagazin Spiegel den Gesamtschaden durch sogenannte
Adressbuch-Betrüger jährlich auf etwa 700 Millionen Euro – die Tendenz ist
steigend.

Gesamteindruck des Schreibens auf Täuschung ausgelegt

Wobei der Nachweis nicht einfach ist. Denn in den Schreiben wird – wenn auch eher im Kleingedruckten – auf die Kosten hingewiesen. 39,85 Euro monatlich plus Umsatzsteuer für einen Basiseintrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren oder in einer aktualisierten Variante 569,06 Euro pro Jahr beträgt der fällige Betrag.

„Wir gehen aber davon aus, das der Gesamteindruck dieser Schreiben auf Täuschung angelegt war“, so Möllmann weiter, „für diese Fälle gibt es eine entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.“

Den Rechnungen folgten drastisch formulierte Mahnungen. Und denen wiederum ein vergleichsweise mildes Einigungsangebot, auf das sich am Ende auch die Stadt Hagen einließ.

30 Millionen Euro, so berichtet das Nachrichtenmagazin Spiegel auf seinem Internetportal, könnte die Firma auf diese Weise innerhalb von vier Jahren eingetrieben haben. Geld, das laut Spiegel vor allem an das Brüderpaar Thomas und Andreas K. geflossen sei, das hinter dem Unternehmen mit Sitz in Frechen stecke und das mit Sebastian C. einen Geschäftsführer eingesetzt habe, dessen „Polizeiakte Dutzende Seiten füllt“.

Gelassenheit bei Eintrachtlern

Betroffen ist auch das Jobcenter Hagen, dessen Sprecher Thorsten Opel von drastischen Drohungen durch Anwälte und Inkasso-Unternehmen berichtet. Denn: Die Behörde hat bislang nicht an die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH überwiesen. „Wir haben das auch nicht vor“, so Opel, „wir warten mal ab, ob tatsächlich eines Tages ein Gericht bemüht wird. Dann werden wir uns anwaltlich beraten lassen.“

Dazu rät auch der Hagener Rechtsanwalt Reiner Friedrichs, der als 2. Vorsitzender des VfL Eintracht Hagen gleichzeitig die Interessen des Vereins gegen die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH vertritt. „Wir haben im Frühjahr dieses Jahres eine Rechnung bekommen und nicht überwiesen“, sagt er, „seither treffen im Zweimonats-Rhythmus Mahnungen ein, die wir ignorieren. Ich sehe das ganze recht gelassen und glaube nicht, dass das Unternehmen seine Forderungen einklagen wird.“

Ein Verantwortlicher der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH war zu einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung nicht bereit.