Hagen. . Seit 20 Jahren in Deutschland, seit zehn Jahren in Hagen: Das Wirken von Ballettdirektor Ricardo Fernando und seiner Frau Carla Silva ist seit dem ersten Tag in Deutschland von Rotstift-Krisen überschattet. Dennoch hält das Künstlerpaar an seinem Traum fest: gut Tanzen, erfolgreich sein, die Tür zum Publikum öffnen.
Als Ricardo Fernando vor 20 Jahren nach Deutschland kam, musste er sofort mit einem Schock fertig werden. Am Theater Bremerhaven hatten der neue Ballettdirektor und seine Frau ihre Koffer noch nicht ausgepackt, da sollte das Tanztheater per Ratsbeschluss abgewickelt werden.
„Das Ballett Bremerhaven gibt es heute immer noch“, zieht der Brasilianer Bilanz. Diese Tatsache ist vor allem sein Verdienst. Seit zehn Jahren wirkt Ricardo Fernando als Ballettchef und Choreograph am Theater Hagen und hat dem Tanztheater überregional einen hervorragenden Ruf erarbeitet.
20 Jahre lang Rotstift-Diskussionen
Ricardo Fernando und seine Compagnie feiern das Jubiläum mit Stolz. Denn auch in Hagen gilt das Tanztheater als Sparsparte. Ballettschließungspläne haben sein ganzes Wirken in Deutschland begleitet. Doch der Brasilianer ist keiner, der schnell aufgibt. Er zieht Kraft aus seiner Kunst. Und trotz des Drucks der immer neuen Rotstift-Diskussionen spielen Fernandos Produktionen vor vollem Haus. Das Publikum ist ebenso jung wie das internationale Ensemble unter seiner Leitung. Und es schätzt Fernandos Choreographien, die klassische und neoklassische Ballett-Elemente mit moderner Tanzsprache verknüpfen.
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Sie haben einen Traum, der Ballettdirektor und seine Frau Carla Silva, Ballettmeisterin, Assistentin und bis vor zwei Jahren auch Fernandos Primadonna. Fernando: „Wir haben uns vorgenommen, gut zu sein, erfolgreich zu sein. Das, was wir in diesen Jahren aufgebaut haben, hat uns viel Boden gegeben und viel Freude. Das Durchstehen der Krisen gehört dazu, und dass wir es geschafft haben, die Türen zum Publikum zu öffnen. Das war immer unser Wunsch.“
An fünf Theatern hat Fernando in Deutschland gewirkt. Stets wurde er gerufen, wenn eine Tanzsparte am Boden lag. So sollte er auch in Hagen das Ballett neu aufbauen. Unter seiner Vorgängerin kamen noch gerade mal 300 Besucher in die Premieren. Schon die erste Fernando-Produktion „Tango“ war ein Erfolg. Der hält bis heute an.
Für Hagen haben sie sich bewusst entschieden, nach Stationen in Bremerhaven, Chemnitz, Pforzheim und Regensburg. Erstens, weil die Stadt so zentral liegt. Und zweitens, weil im Umfeld auch andere Compagnien wirken, darunter das weltberühmte Tanztheater von Pina Bausch in Wuppertal. Das Ballettpublikum in der Region ist kritisch und erfahren. Da zählt jeder Beifall doppelt.
Der Spardruck darf sich nie auf die künstlerische Leistung auswirken. Fernando: „Kunst ist mit sehr viel Verantwortung verbunden. Ich muss mich immer fragen: Passt das alles zusammen, die Musik, die Tänzer, das Publikum, es darf nicht beliebig sein, nicht kitschig, das ist schwierig.“ Seine Compagnie muss Ricardo Fernando vor den Schließungs-Diskussionen ein wenig abschirmen. „Viele unserer guten Tänzer haben Hagen wegen dieser Situation verlassen, weil sie hier keine Perspektive mehr für sich gesehen haben.“
Eine internationale Kunst
Tanz ist eine internationale Kunst. Also spricht das Ehepaar Fernando/Silva fünf Sprachen. Die Tänzer, die sich in Hagen bewerben, kommen aus der ganzen Welt – und sind meist blutjung. Da müssen Fernando und seine Frau Vater und Mutter sein, Psychologe und Therapeut in einem. Die Internationalität der Compagnie führt dazu, dass man in Hagen immer auf dem Laufenden bleibt, wie in anderen Ländern getanzt wird. Beim Umgang mit der Bürokratie und bei der Bewältigung von Alltagsfragen wie der Zimmersuche helfen die engagierten Ballettfreunde.
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„Es ist auch ein Glücksfall, dass Carla und ich gemeinsam so lange in diesem Beruf sind. Alle Choreographen brauchen gute, kreative Tänzer. Carla ist meine Partnerin, und sie war eine Ausnahme-Tänzerin“, lobt Ricardo Fernando seine Frau. Die hatte bereits mit 15 Jahren ihren ersten Festvertrag und hat sich vor zwei Jahren entschieden, hinter die Bühne zu wechseln. „Jetzt gebe ich meine Erfahrung anderen Tänzern weiter, das gefällt mir sehr gut“, betont sie.
Das Künstlerpaar glaubt weiter fest an seinen Traum: Ricardo Fernando: „Es wäre so schön, wenn man uns Stabilität geben könnte, wenn die verantwortlichen Personen an uns glauben würden, damit wir auch die nächsten zehn Jahre für Hagen tanzen können.“
Sein Jubiläum feiert Ricardo Fernando mit dem neuen Stück „Dance Celebration“. Darin sind die tänzerischen Höhepunkte der vergangenen zehn Jahre zu sehen. Premiere ist am 19. Oktober im Theater Hagen. Info und Karten: www.theaterhagen.de