Hagen. . Erschießungskommandos der deutschen Besatzer waren in den letzten beiden Kriegsjahren in den Niederlanden offenbar an der Tagesordnung. Davon berichtete eine Zeugin - ihre Aussage wurde jetzt im Mordprozess gegen den früheren SS-Mann Siert B. verlesen.

Der Mordprozess gegen ein früheres Mitglied der Waffen-SS ist am Dienstag in Hagen mit der Verlesung von Zeugenaussagen aus den Niederlanden fortgesetzt worden. Darin ist von Erschießungskommandos die Rede. Angeklagt ist der gebürtige Niederländer Siert B.(92), der 1944 als Mitglied der Grenz- und Sicherheitspolizei in Delfzijl bei Groningen an der Ermordung eines Widerstandskämpfers beteiligt gewesen sein soll.

Siert B., der im Krieg die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatte, bestreitet, auf den Mann geschossen zu haben, und verweist auf seinen Vorgesetzten, der als einziger dabei war. Der Vorgesetzte ist bereits 1985 gestorben. Der Widerstandskämpfer wurde von hinten erschossen. Die SS-Männer behaupteten, er habe fliehen wollen.

Zeugin berichtet von Erschießungskommandos

Eine Zeugin, die mit B.s Frau befreundet war, schilderte Abläufe in dem Küstenort zur Besatzungszeit. So habe sie gesehen, wie Erschießungskommandos zusammengestellt worden seien, und sie habe auch Schüsse gehört. Ihre Aussage wurde 2012 in den Niederlanden aufgezeichnet und jetzt verlesen. Von der Erschießung des Widerstandskämpfers habe sie direkt nichts mitbekommen und erst später davon gehört. Ihr Freund, ein Niederländer in Diensten der Sicherheitspolizei in Delfzijl, habe allerdings einmal gesagt, B. habe eine dumme Sache gemacht.

Eine andere Zeugin gab in ihrer jetzt verlesenen Aussage an, dass Untersuchungshäftlinge in schweren Fällen wie bei Widerstandskämpfern zum Prozess nach Den Haag geschickt worden seien. Später, als es wohl das Gericht nicht mehr gab, seien Häftlinge auch vor Ort erschossen worden, schilderte die Zeugin, die damals bei Vernehmungen in Groningen gedolmetscht hatte.

B. wurde nach dem Krieg in den Niederlanden in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Später wurde das Urteil in lebenslange Haft umgewandelt. Siert B. war bereits in Deutschland untergetaucht. Das Hagener Landgericht hatte wegen des Todes des Widerstandskämpfers schon einmal ein Verfahren eröffnet. Die Tat war damals aber als Totschlag und damit als verjährt eingestuft worden. Mittlerweile wertet die Staatsanwaltschaft die Erschießung jedoch als Mord - und der verjährt nicht. Siert B. war in Deutschland in den 80er Jahren bereits wegen Beihilfe zur Ermordung zweier jüdischer Brüder zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

In dem Prozess werden an weiteren Verhandlungstagen voraussichtlich auch Aussagen aus dem Nachkriegsprozess in den Niederlanden verlesen. An diesem Mittwoch sollen zunächst Polizisten aus Deutschland und den Niederlanden gehört werden, die an den neuen Ermittlungen beteiligt waren. (dpa)