Hagen. Beim Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) lag Hagen mit der Note 4,52 nicht weit vom Tabellenletzten Pforzheim mit der Note 4,80 entfernt. Die Radwege der Stadt sind oft dreckig und mit Schlaglöchern übersät. Unsere Redaktion machte den Selbsttest. Fahren Sie mit.

Die Szene erinnert mich an den Moment in den französischen Bergen 1997, als Udo Bölts dem späteren Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich „Quäl dich, du Sau!“ zuruft. Frank Plaßmann ist mein Udo Bölts. Und ich bin die Sau. Das ist aber nur eine Randnotiz bei dem Versuch herauszufinden, warum Hagen zu den vier fahrradunfreundlichsten Städten in Deutschland gehört. Radeln Sie mal mit uns mit.

Die Szene, die mich an Udo Bölts erinnert, spielt sich auch an einem Berg ab. Wobei der Remberg im Vergleich zu den Vogesen eher ein Bergchen ist. Ich muss zum Glück auch nicht bis zum Boloh durchziehen. Der Radweg auf dem Remberg wird von Anwohnern und Autofahrern nämlich knallhart ignoriert. Erst parkt jemand der Länge nach darauf. 200 Meter weiter zwingen uns sechs Mülltonnen zu einem wackeligen Schlenker. „Unglaublich“, ruft der vorausfahrende Frank Plaßmann in den Gegenwind, „den Leuten ist der Radweg absolut egal.“

Fahrradweg wird immer schmutziger

Fahrradfreundlichkeit sieht tatsächlich anders aus. Auch optisch. Denn auf unserer Tour durch die halbe Stadt wird der Fahrradweg an vielen Stellen im Vergleich zum Fußgängerweg immer schmutziger und verdreckter. „Das ist unschön und gefährlich“, so Plaßmann. Rollsplitt, Geäst und Scherben könnten Stürze und Reifendefekte verursachen.

Die Gesamtnote der Stadt Hagen beim Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) beträgt 4,52 und ist nicht weit vom Tabellenletzten Pforzheim mit der Note 4,80 entfernt.

Wir radeln weiter. Frank Plaßmann, langjähriges Mitglied im Radsportclub Hagen, hat Tausende von Kilometern in den Beinen. Vom Pressehaus in der City bis zum Boloh braucht man in seinem Windschatten 15 Minuten. „Kannste noch?“ Ich kann noch. Aber wenn er einmal tritt, trete ich dreimal. Das war bei Bölts und Ullrich irgendwie anders.

Tiefe Schlaglöcher auf der Strecke

Über den Haferkamp runter nach Halden braucht man ziemlich kräftige Unterarme. Wer durch die kleine Unterführung schleicht, kreuzt locker 100 hochgewölbte Wurzeln, die den Asphalt hochdrücken. Ein Killer für Radfahrer. Dass uns am Haldener Friedhof eine Peugeot-Fahrerin fast auf ihre Motorhaube hievt und dann auch noch wild prustend hinter uns herschreit, ist nur noch Makulatur. Als Radfahrer bist du wohl eine kleine Nummer in Hagen. Eine Randgruppe. „Radfahrer zahlen eben keine Steuern“, sagt Plaßmann. Lassen wir mal so stehen.

Jetzt wird’s nicht nur schmutzig, sondern auch riskant und wirklich nervig. Wir landen im Lennetal und wollen entlang der grünen Auen am Fluss Richtung Hengsteysee fahren. Ja, es gibt hier einen Radweg. Man könnte sich statt seiner Benutzung aber auch mit Anlauf in einen Dornenbusch stürzen. Das Ergebnis wäre das gleiche. Also geht es an der Straße entlang. Doch auf der Buschmühlenstraße küsst das Kinn fast alle drei Meter die Lenkerstange – so tief sind die Schlaglöcher.

Wir spulen die Fahrt vor zu den nächsten Aufreger-Stellen. Vorbei am Hengsteysee geht es nach Vorhalle. „Also der Vorhaller Kreisel und der Bahnhofsbereich zeigen das ganze Ausmaß der Fahrrad-Politik in dieser Stadt“, sagt Plaßmann. Stimmt. Mit dem Fahrrad durch den Kreisel zu fahren, ist ein heilloses Unterfangen.

Nur ein roter Streifen

Für die Umfahrung des Bereichs benötigt man als Radler fast zehn Minuten. Der Radweg endet übrigens im Nirgendwo vor dem Autohaus Max Moritz. Dann geht es Richtung City. Und zwar ausschließlich durch den dichten Straßenverkehr. Keine Radwege weit und breit.

Wir biegen an der Fuhrparkstraße ab und radeln über die Alexander­straße Richtung Bahnhof. Nichts für Ungeübte oder Reaktionsschwächere. Es gibt erst keinen Radweg, dann plötzlich einen roten Radstreifen unter der Altenhagener Brücke, der etwa 200 Meter lang ist und auf einmal in einem Gemüsestand an der Ecke Körnerstraße endet. „Irre, oder?“, fragt Plaßmann. Der gleiche Wahnsinn begegne einem, wenn man auf den Berliner Platz fährt. „Da kannst du absteigen, da ist die Fahrt vorbei als Radfahrer.“

Wir müssen auch nur noch zurück zum Pressehaus. Schleichweg Grabenstraße, entlang am Ricarda-Huch-Gymnasium und schnell noch schieben durch die Mollstraße. Eine entspannte Tour – das muss man festhalten – fühlt sich anders an.