Hagen. . Rund 30 Prozent aller 2500 Parzelleninhaber in den Hagener Kleingärten haben inzwischen ausländische Wurzeln. Kemal Erkaya fungiert am Ischeland sogar als Fachberater. Er will „Teil der Gemeinschaft“ sein.
Es ist ein Kleingarten wie er im Buche steht. Auf dem kurz gemähten Rasen wachsen zwei Apfelbäume, eine Süßkirsche und eine Pflaume, in den Beeten recken sich Kopfsalat, Kartoffeln und Buschbohnen in die Höhe, aber auch Auberginen und Paprika, eine Storch-Skulptur äugt kritisch nach Ungeziefer, und neben der schmucken, frischweißen Laube sind Keramik-Engel drapiert.
Deutsche Kleingärtner-Beschaulichkeit, sollte man meinen. Der Besitzer dieses Idylls aber heißt Kemal Erkaya (46), und schon der Name verrät uns, dass hier ein gebürtiger Türke von der ursprünglichen deutschen Gemütlichkeit Besitz ergriffen hat. Vor fünf Jahren hat er die 400-Quadrameter-Parzelle im Kleingartenverein (KGV) Ischeland erworben und verbringt dort mit seiner Frau und den vier Kindern jede freie Minute: „Ich wollte weg vom Alltagsstress“, sagt Erkaya, Objektbetreuer in Diensten der Gebäudewirtschaft Hagen. „Hier finde ich den notwendigen Ausgleich.“
Teil der Garten- und Freizeitkultur
Wer nun meint, die Familie Erkaya stelle eine Ausnahme im guten, alten Hagener Kleingartenwesen dar, der liegt völlig falsch. Rund 30 Prozent aller 2500 Parzelleninhaber haben ausländische Wurzeln, betont Hans-Günther Cremer, Vorsitzender des Bezirksverbandes der Kleingärtner, dem 41 Vereine angehören: „Diese Menschen sind längst Teil unserer Garten- und Freizeitkultur geworden. Wir brauchen sie.“
Hagens grüne Oasen
Ausgerechnet dort also, wo gern deutscher Muff verortet wird, hinter den Hecken der Ordnung liebenden, fleißigen Hobbygärtner, ist die Integration weit vorangeschritten. Wenn der Vorstand des KGV Ischeland heutzutage einen Bewerber für ein freigewordenes Grundstück auswähle, dann achte er nicht auf Nationalität und Herkunft, so Vorsitzender Gerd Engelhard (69): „Viel wichtiger ist uns handwerkliches Können, schließlich müssen auf unserem Vereinsgelände zahlreiche Gemeinschaftsaufgaben erledigt werden.“
Acht weitere Landsleute folgtem dem Deutsch-Türken
Und unter den Interessenten mit Migrationshintergrund sind Handwerker jeglicher Couleur inzwischen häufiger vertreten als unter deutschen Anwärtern. Nur wer kein Wort Deutsch spricht, könne aus verständlichen Gründen nicht aufgenommen werden, so Engelhard: „Wir können nicht wegen jeder Kleinigkeit einen Dolmetscher hinzuziehen.“ Außerdem achtet der Verein bei der Gartenvergabe darauf, dass die Volksgruppen nach reinster Multi-Kulti-Arithmetik auf die Parzellen verteilt werden und im Nachbargarten möglichst kein Landsmann zu Hause ist: „Dann bilden sich keine Ghettos, sondern die verschiedenen Nationalitäten finden von ganz allein zueinander.“
Menschen mit russischer, polnischer, italienischer oder griechischer Herkunft tummeln sich schon seit Jahrzehnten in den Kleingartenvereinen, in der jüngeren Vergangenheit zeigt der türkische Anteil steil nach oben. Kemal Erkaya war vor fünf Jahren erst der zweite Deutsch-Türke am Ischeland, mittlerweile sind ihm acht weitere Landsleute gefolgt. Als er sich um die Parzelle bewarb, sei ihm Skepsis entgegengeschlagen: „Die haben wohl gedacht, da kommt ein Türke mit Großfamilie und feiert ein Grillfest nach dem anderen in der Anlage.“ Derlei Vorurteile haben die meisten Gartenfreunde abgelegt, der Vorzeigegarten von Erkaya übertrumpft so manche „deutsche“ Parzelle an Akkuratesse, Farbenreichtum und Sauberkeit.
Der passionierte Kleingärtner, der natürlich einen deutschen Pass besitzt, hat sogar schon einen mehrwöchigen Lehrgang besucht und macht sich am Ischeland als Fachberater verdient. Erkaya berät andere Parzellenbesitzer über ökologische Zusammenhänge, den naturnahen Anbau von Obst und Gemüse, umweltverträgliche Düngung, natürlichen Pflanzenschutz und Gartengestaltung. „Ich will nicht nur Pächter, sondern Teil der Gemeinschaft sein“, sagt er. Besser könnte ein überzeugter Vereinsmensch seine Motive nicht zum Ausdruck bringen.