Hagen. . Die Hagener Philharmoniker spielen unter GMD Florian Ludwig endlich wieder eine Bruckner-Sinfonie. Der erste Satz ist noch ein bisschen ruppig, doch dann geht das Konzept auf. Das Ergebnis: groß besetzte romantische Sinfonik, die man in Hagen wegen der Sparpolitik nicht mehr allzu oft hören kann.

Anton Bruckners 5. Sinfonie ist ein faszinierend sperriges Werk, das in seiner monströsen Ausdehnung und in seinem komplexen Gehalt Dirigenten, Orchester und Hörer gleichermaßen herausfordert. Anderthalb Stunden, so lange brauchte Sergiu Celibidache, um die „Fünfte“ aufzuführen.

Der Hagener GMD Florian Ludwig „schafft“ die Sinfonie in 70 Minuten. Denn er sucht mit den Hagener Philharmonikern nicht nur den Weltschmerz, sondern entwickelt aus den Konflikten auch einen tänzerischen Puls, der schließlich im Finale zur Erlösung führt. Mit vielen Bravo-Rufen feierte das Publikum in der Hagener Stadthalle diese Interpretation – groß besetzte romantische Sinfonik ist wegen der Sparzwänge schließlich nicht mehr allzu oft in Hagen zu hören.

Unsauberes Blech

Der erste Satz kommt noch ein bisschen ruppig daher, das Blech stimmt nicht sauber, die Streicher sind erheblich gefordert, und Florian Ludwig nutzt die Generalpausen kaum als Elemente der Spannungssteigerung.

Doch im Adagio geht das Konzept dann auf: mit der Klage der Solooboe, bittersüß leuchtenden Holzbläser-Rufen, satten Streicher-Melodien und hymnischen Steigerungswellen. Florian Ludwig legt das Adagio bewusst als Gegenwelt zu den zerklüfteten Ecksätzen an: Hier wird Singen möglich, und das Singen bildet jene Utopie, die angesichts der scharfen Brüche des ersten Satzes nur zu erahnen ist.

Gewaltiges Finale

Doch vor der Versöhnung jagt der Komponist seine Hörer noch durch ein geradezu teuflisches Scherzo. Florian Ludwig lässt Bruckners Dämonen mit Wonne wider den Stachel löcken, denn die Hexentänze der Streicher brechen unaufhörlich in die ländliche Idylle der Bläser ein.

Der letzte Satz gehört zu den gewaltigsten Finales der Sinfoniegeschichte, und die Hagener Philharmoniker genießen das virtuose Spiel mit den kontrapunktischen Verflechtungen. Der Choral gräbt sich regelrecht durch die Stimmen, und der Satz erhält dadurch unglaublich an Fahrt, bis sich die aufschwingenden Bögen zu einer regelrechten Klang-Kathedrale zusammenfügen.

Bruckner geht mit dem Orchester um wie mit einer gigantischen Orgel, und Florian Ludwig „registriert“ die Klangfarbenblöcke entsprechend voneinander abgesetzt. Die Wiener Orchester-Aufstellung mit den Kontrabässen hinten unterstützt diese Wirkung, denn die Bässe können so gemeinsam mit dem schweren Blech die Klang-Architektur aus der Tiefe aufbauen.

Bruckner hat das Werk nie gehört

Bruckner, der ewig zweifelnde, ewig seine Werke überarbeitende Komponist, hat seine „Fünfte“ nie gehört. Mehr als neun Jahre nach der Fertigstellung wurde sie 1887 öffentlich aufgeführt, und zwar in einer Bearbeitung für zwei Klaviere. 1894 spielte erstmals ein Orchester das Werk, allerdings in einer stark veränderten Version. Erst 1935 erklang das Opus in der vom Komponisten gewollten Originalfassung.

Eigentlich braucht man vor einer Bruckner-Sinfonie kein zusätzliches Werk mehr in einem Konzert. Doch Florian Ludwig setzt noch „Puls für großes Orchester“ von Moritz Eggert aufs Programm, der in dieser Spielzeit Komponist für Hagen ist. Das ist eine raffinierte, knapp halbstündige Komposition, in der Eggert das Orchester klingen lässt wie King Kong auf Ecstasy. Der Vergleich sei erlaubt, da Eggert im Programmheft ähnlich über die Orgasmen Bruckners spekuliert, die ihn weiß Gott nichts angehen.