Hagen. . Die Hagener Philharmoniker unter Paul Mann mit dem jungen Cellisten Sebastian Klinger blühen mit Werken von Dvorak und Elgar regelrecht auf. Das betörend schöne Konzert wurde vom Publikum begeistert gefeiert.

Antonin Dvorak ist der große Unbekannte unter den Komponisten. Denn das Klischee vom böhmischen Urmusikanten trifft in Wahrheit nicht zu. Dvorak war ein ungemein komplexer Künstler, der auf der Basis von Tradition Neues zu schaffen vermochte. Das hat der englische Dirigent Paul Mann mit den Hagener Philharmonikern jetzt am Beispiel der 8. Sinfonie in einem betörend schönen Konzert bewiesen, das vom Publikum begeistert gefeiert wurde.

Paul Mann ist ein sehr gelassener, gleichwohl aber auch körperlich präsenter Maestro, der kein romantisches Dvorak-Bild sucht, sondern ein dramatisches. Jubilierend erhebt sich die Soloflöte zum Beginn des ersten Satzes über den Choral von Cello, Klarinette und Fagott. Der Gastdirigent stellt die zahlreichen Motive in starken Tempo- und Dynamik-Kontrasten gegeneinander, und das Orchester blüht regelrecht auf in diesem Zusammenspiel von wunderbaren Soli, delikaten Dialogen zwischen Holzbläsern und Blech im langsamen Satz, den tanzenden Streichern im Walzer des Scherzos und der ungeheuren motorischen Schubkraft, die durch die Trompetenfanfare des Finales freigesetzt wird.

So entstehen spannende Situationen, etwa wenn die Pauke im Scherzo beharrlich mit ihrem querständigen Rhythmus in den Walzerhimmel der Geigen einbricht. Aber das glückselige Auskosten der Klanglichkeit hat seinen Preis: Die einzelnen Satz-Abschnitte bleiben einigermaßen disparat nebeneinander stehen, jeder für sich wirkt wie ein Prolog zu einer Verheißung, die dann nicht erlöst wird. Paul Mann gelingt es nicht, die Fülle der Melodien zur Form zu ­runden.

Bach-Sarabande wird zum magischen Moment

Sebastian Klinger ist ein herausragender junger Cellist, dessen Karriere man aufmerksam verfolgen sollte. Denn mit Edward Elgars Cellokonzert beweist er eine faszinierende Kombination aus glühender, sehr persönlicher Innigkeit und dunkel-leuchtendem Ton. „Es ist wie das Destillat einer Träne“, beschrieb die Cellistin Jacqueline du Pré das Werk, in dem sie Interpretations-Maßstäbe gesetzt hat.

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Sebastian Klinger begreift das gesamte Konzert als Variation über eine Klage - zwischen singendem Weinen und ergebenem Gebet. Der vierte Satz wird in seinem Spiel zum Zentrum des Werkes, hier schwingt sich das Cello zu einer geradezu faustischen Bekenntnismusik auf, indem es gleichsam dem Tod von der Schippe tanzt, während das Blech wie eine Vision des jüngsten Gerichtes dazwischen fährt.

Das Publikum hätte Sebastian Klinger noch stundenlang zuhören können, und der hochbegabte Musiker bedankt sich mit einer berückend intensiven Interpretation von Bachs „Sarabande“ aus der 3. Cellosuite: ein unerwarteter magischer Moment, der beweist, was Musik alles möglich machen kann.

Das Sinfoniekonzert ist dem Gedenken an den im Sommer mit nur 45 Jahren gestorbenen Krefelder GMD Graham Jackson gewidmet – und an Jon Lord, „einer der besten Freunde des Orchesters“, wie Paul Mann unterstreicht. Jon Lord, der im Juli seinem Krebsleiden erlag, war in seinem letzten Lebensjahr Komponist für Hagen, „das brachte ihm viel Freude in einer Zeit, als er sie am meisten brauchte“, so Paul Mann.

Arvo Pärts „Cantus in memoriam Benjamin Britten“ ist ein ergreifender Trauergesang: zauberische Klänge von Streichern und Glocke, die langsam anschwellen, während die Tonhöhe gemächlich sinkt, und die tiefe meditative Besinnung ­schenken.