Hagen. Werkstattleiter Gerhard Janßen ist der dienstälteste Mitarbeiter im Freilichtmuseum. Er hat 30 Jahre von 40 mitgestaltet, “hier kommt man nicht mehr weg“, sagt der Leiter. Zum 40. Geburtstag des LWL-Museums blickt er zurück.

Er musste von der Haustür aus nur einmal über den Berg. Der Opa hat ihn an die Hand genommen. Und dann sind sie gewandert. Der kleine Gerhard und der Förster. Sie sind gewandert, bis die Lichtungen den Blick in das beschauliche Tal freigegeben haben. Links und rechts vom Mäckinger Bach fuhren die Bagger.

Sie schoben erst die Erde. Dann kamen die großen Kräne, und die alten Fachwerkhäuser wurden aufgestellt. Der kleine Gerhard staunte. Und er ahnte nicht, was er nicht ­ahnen konnte: Dass das Freilichtmuseum, das da am Fuße des Berges entstand, sein ganzes Leben prägen würde.

30 von 40 Jahren mitgestaltet

Es war vor 40 Jahren, als der erste Besucher seinen Fuß in dieses europaweit einmalige Museum setzte. Der kleine Gerhard, der mit seinem Großvater einst durch die Wälder streifte, hat 30 von den 40 Jahren mitgestaltet. Er, der die Werkstatt des LWL-Freilichtmuseums Hagen leitet, ist der Mitarbeiter mit den meisten Dienstjahren. „Wer mal zwei bis drei Tage hier war, der kommt nicht mehr weg“, sagt ­Gerhard Janßen und lächelt.

Zumindest an den ersten von den zwei bis drei Tagen kann er sich noch erinnern. Es war um 6.30 Uhr, als er vor dem Tor stand und auf die Kollegen wartete. „Als sie kamen, haben sie mir erstmal das Museum gezeigt“, sagt Gerhard Janßen.

Hagens schönster Fleck

Auf dem Experimentierfeld Wasser können kleine Besucher viel entdecken.
Auf dem Experimentierfeld Wasser können kleine Besucher viel entdecken. © WP Michael Kleinrensing

Ein Museum, das nicht wenige für den schönsten Flecken in Hagen halten. Denn eine historische Altstadt mit romantischem Fachwerk suchen Touristen in der Volmestadt vergebens. Dafür finden sie das einzige Freilichtmuseum in Europa, das sich mit Handwerk und Technik beschäftigt. „Diese Einmaligkeit macht uns schon stolz“, sagt Dr. Uwe Beckmann, der das Museum heute leitet und selbst 1989 als wissenschaftlicher Volontär im Freilichtmuseum Hagen begonnen hat. „Viele kommen zu uns, weil hier noch Betriebe und Werkstätten stehen, wie es sie sonst nirgendwo gibt. Und die kann man bei uns nicht einfach nur anschauen, sondern es wird darin auch noch gearbeitet.“

Wissenschaft und Forschung spielen dabei eine gewichtige Rolle. Die Werkstätten sind so konzipiert, dass man die Arbeitsabläufe, die dort von mehr als 100 Jahren stattgefunden haben, nachvollziehen kann. „Was wir hier machen, hat Hand und Fuß“, sagt Beckmann, „neben Werkstätten und Betrieben haben wir eine umfangreiche Präsenzbibliothek, die nach Absprache genutzt werden kann.“

Wissenschaftlicher Anspruch

Auch der wissenschaftlich hohe Anspruch macht das Freilichtmuseum attraktiv. Und Beckmann, der gebürtige Bochumer, hat mit seinem Team im Jubiläumsjahr Perspektiven für das Museum entwickelt, um die Anziehungskraft zu steigern. Die Ausstellung über die 70er Jahre, die am 1. Mai eröffnet wurde, ist eine kurzfristige. Die Barrierefreiheit, die besonders älteren Besuchern im bergigen Gelände mit Anstiegen und Treppen den Aufenthalt angenehmer machen soll, eine mittelfristige. Eine, die in Teilen aber auch schon umgesetzt worden ist. „Wir arbeiten noch an einem Beförderungssystem“, sagt Beckmann. Wie immer das auch aussehen soll.

Dieses Bild stammt aus der Aufbauphase des Museums.
Dieses Bild stammt aus der Aufbauphase des Museums. © WP

Aber auch langfristig sieht Beckmann erhebliches Potenzial. Was auch daran liegt, dass Geschichte niemals still steht. Und so gibt es Betriebe, in denen zur Gründungszeit des Freilichtmuseums noch gearbeitet wurde, und die heute längst Vergangenheit sind. „Wir wollen uns in Zukunft auch in Richtung modernes Handwerk orientieren“, so Beckmann, „ich denke da zum Beispiel an eine Kfz-Werkstatt, die gut ins Museum passen würde.“ Und im übrigen ein Anknüpfungspunkt für Oldtimer und historische Landmaschinen wäre, die am morgigen Sonntag beim Treckertreffen durch das Museum rollen.

Flair der 70er im Freilichtmuseum

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Opel GT.
Opel GT. © WP Michael Kleinrensing
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Die Herdecker Band Sugar.
Die Herdecker Band Sugar. © WP Michael Kleinrensing
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Die Herdecker Band Sugar.
Die Herdecker Band Sugar. © WP Michael Kleinrensing
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Ford Panchero 500GT.
Ford Panchero 500GT. © WP Michael Kleinrensing
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Freilichtmuseum Hagen zählte 7,8 Millionen Besucher in 40 Jahren 

Das Museum und seine Aktionstage haben in 40 Jahren 7,8 Millionen Besucher mit auf eine einmalige Zeitreise genommen. Es sind Handwerker, die kommen. Historiker, Studenten, ganze Schulklassen. Menschen, die einfach nur einen schönen Tag in traumhafter Kulisse zwischen Fachwerk und Natur verbringen wollen. Oder Großeltern mit ihren Enkeln, die ihnen das, was sie sehen, erklären können.

So wie der Förster, der den kleinen Gerhard einst bei seinen Spaziergängen durch sein Revier mit auf die Hügel oberhalb des Museums genommen hat. Und so – wenn auch unbewusst – dessen weiteres Leben maßgeblich prägte. Nicht nur beruflich, sondern auch privat. Denn seine Frau Regina hat Gerhard Janßen – wie könnte es anders sein – im Freilichtmuseum kennengelernt. Zu jener Zeit, als sie noch in der Druckerei gearbeitet hat.

„Man weiß nie, was der Tag bringt“

Es mag der schönste Moment für ihn in diesem Museum gewesen sein. Aber es war doch nur einer von vielen schönen, die er hier erlebt hat. „Wenn auch meine Arbeit nur wenig mit dem zu tun hat, was ich einmal gemacht hat“, sagt der gelernte Kunstschmied, „sie ist enorm abwechslungsreich. Man weiß nie, was der Tag so bringt.“

Auch heiße Eisen packt Gerd Janßen an.
Auch heiße Eisen packt Gerd Janßen an. © WP Michael Kleinrensing

Manchmal bringt er Erfolgserlebnisse. Zum Beispiel an jenem Tag, an dem Gerhard Janßen und seine Mitarbeiter das Geheimnis um die Kuhschellen-Schmiedekunst gelüftet haben. „Der Handwerker aus Hilchenbach, der die Schmiede einst betrieben hat, hat seine Vorgehensweise ganz bewusst nicht mit anderen geteilt und irgendwann mit ins Grab genommen“, sagt Gerhard Janßen. Also haben die Experten des Freilichtmuseums zwei Monate lang geprobt und der Schmied hat ihnen von oben mit einem Grinsen dabei zugeschaut. „Die Rohlinge werden in Lehm eingehüllt und kommen zwei bis drei Stunden ins Feuer. Die Kunst ist, dass sie dabei nicht zerstört werden.“

Überraschendes nach 30 Jahren

Und manchmal bringt so ein Tag gestandene Männer zur Verzweiflung. Sowie im letzten Dezember, als beim Weihnachtsmarkt im Museum der Strom ausfiel und alle im Dunkeln standen.

Überraschendes bringen die Tage im Museum auch heute noch. Manchmal geplant, manchmal ungeplant. „Ab und an krieche ich heute noch in Gebäuden rum“, sagt Gerhard Janßen, „und dann dringe in Ecken vor, in denen ich in den letzten 30 Jahren noch nicht war.“