Hagen/Vometal. . Der Gutshof in Selkinghausen bei Hagen ist Schauplatz einer rührenden Geschichte. Nachdem die eigene Mutter kurz nach der Geburt starb, wurde das Waisenkälbchen “Milka“ von einer fremden Kuh adoptiert. Laut Ralf Blauscheck vom Verein für extensive Kulturlandschaftspflege komme dies nicht allzu oft vor.

Milkas Mutter starb im Kindbett. Bei der Geburt wurde einige Nerven im Becken der achtjährigen Kuh Rosi beschädigt, sie kam nicht wieder auf die Beine und musste eingeschläfert werden. Das Kälbchen blieb allein zurück auf der Welt.

Nicht ganz allein! Denn die Mädchen vom Gutshof in Selkinghausen nahmen sich des Waisenkindes an und zogen es mit der Flasche auf. Die köstliche Milch und die Zuneigung der Menschen brachten Milka über die erste Woche. Dann wurde im Nachbarstall Urmel geboren, Milkas Halbbruder. Nicht immer akzeptieren Kühe ein Stiefkind, sie bevorzugen das eigene Kalb und vernachlässigen das neu hinzugekommene Familienmitglied. „Doch einen Versuch war es uns allemal wert“, berichtet Ralf Blauscheck vom Verein für extensive Kulturlandschaftspflege (VeK).

Neugierige Tierkinder

Und siehe da: Urmels Mutter Rina akzeptierte das zweite Kind und ließ Milka ebenso an ihrem Euter säugen wie den eigenen Sohn. Drei bis vier Liter Milch braucht jedes der Kälbchen am Tag, eine Dosis, auf die sich Rina, die für Milka ja Ersatz-Mutter und Amme zugleich ist, inzwischen eingestellt hat. „Sie bekommt ein bisschen Getreideschrot“, so Blauscheck. „Heu und Silage allein würden für das Säugen von zwei Kälbern nicht ausreichen.“

Milka und Urmel werden sicherlich im Mittelpunkt des Alm-Auftriebes am kommenden Mittwoch im Hagener Süden stehen. Auf den Weiden rund um den Marienhof können die Stiefgeschwister erstmals Gras probieren, über die Wiesen tollen und die Wunder der Welt entdecken. Noch hält sich der Übermut der drei bzw. vier Wochen alten Tierkinder in Grenzen, sie sind zwar furchtbar neugierig und nuckeln an allem, was ihnen vors Maul kommt, aber vor allem schlafen sie viel und fest.

Heu und Stroh machen die Mägen der Kälber robuster

Immerhin haben sie schon gelernt, dass Wasser fließt, wenn sie mit der Nase gegen den Hebel der Tränke stoßen: „Die Milch der Mutter mögen sie freilich zehnmal lieber“, berichtet Blauscheck. Auch Heu und Stroh haben Milka und Urmel schon probiert, was ihre vier Mägen robuster macht und darauf vorbereitet, Gras und Kräuter auf der Weide zu verdauen.

Dass sie sich so gut verstehen, mag daran liegen, dass sie vom selben Vater abstammen. Bulle Udo, ein 800-Kilo-Kraftprotz, durfte im vergangenen Jahr sowohl Rina als auch Rosi beglücken. Allerdings mied der selbstzufriedene Koloss jede unnötige Bewegung, sein Hintern wurde schließlich so ausladend, dass er in keinen Hänger mehr passte. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Jugendlichen, die in Selkinghausen ihr soziales Jahr ableisten und das Vieh versorgen, ließ der Verein den Bullen schlachten.

Die Gefahr durch Bulle "Udo" wurde zu groß

„Udo war zwar ein gutmütiger Typ, aber die Gefahr, dass er bei der Arbeit im Stall jemanden gegen die Wand drückt und verletzt, war uns doch zu groß“, begründete Blauscheck das Todesurteil für den dicken Patriarchen, dessen Bio-Fleisch dem Verein nach Abzug aller Kosten immerhin rund 2000 Euro einbrachte. Und in seinen Kindern lebt er ja weiter. Milka soll, wenn sie gesund bleibt, selbst einmal für Nachkommen sorgen und den Bestand des Roten Höhenviehs auf dem Gutshof vergrößern.

Vielleicht macht sie aber noch eine ganz andere Karriere. Merle Grof (17) hat sich vorgenommen, das Kalb, das dann zum Rind herangewachsen sein wird, im nächsten Winter mit in die benachbarte Reithalle zu nehmen und Gehorsamsübungen mit ihm zu trainieren. Offenbar steht das Waisenkalb, dessen Leben nach dem Tod der Mutter am seidenen Faden hing, vor einer glänzenden Zukunft.