Emst. . Die Anlieger des Schwelmstückes, einer Straße auf Emst, treffen sich in der Adventszeit allabendlich im Hause eines Nachbarn, um gemeinsam zur Ruhe zu finden. Nicht selten werden die Gäste vom Hausherrn verköstigt - zum Beispiel mit Schnitzelchen im Brot.

Heute gibt es kleine Schnitzel im Brötchen, Glühwein und Bier. Obwohl es eiskalt ist an diesem Abend im Dezember, hat Siegfried Wenzel den Grill angezündet. Seine Frau hat sich an der Haustür postiert und begrüßt die meisten Nachbarn mit Küsschen auf die Wange. Die Wintermäntel werden auf der Treppe abgelegt, Wenzels haben keine Garderobe für 40 Gäste. Dann versammeln sich alle im Wohnzimmer. „Wir sind nicht bloß eine Nachbarschaft, wir sind eine gute Gemeinschaft“, sagt die Hausherrin.

Adventszeit am Schwelmstück auf Emst. Seit fünf Jahren ist es guter Brauch, dass die Anwohner dieser Wohnstraße an jedem Tag der Weihnachtszeit ein Türchen öffnen - eine Haustür, besser gesagt. Abend für Abend versammeln sich die Schwelmstücker bei einem Nachbarn, um zu plaudern, zu singen oder zu basteln - vor allem aber, um eines zu tun: „Wir wollen die Zeit miteinander verbringen, besinnlich sein und zur Ruhe finden“, beschreibt Petra Karthaus die Zusammenkünfte an den dunklen Winterabenden. „In unserer hektischen Zeit ist das doch wichtig, oder?“

Klingeln verboten

Klingeln ist verboten. Brav warten die Nachbarn vor dem Haus, bis der Gastgeber die Tür öffnet. Das geschieht gegen 18.30 Uhr, auch Christiane Wenzel bittet ihre Besucher um diese Zeit herein. Sie ist Kindergärtnerin von Beruf, sie sagt, sie sehe ihre Nachbarn tagsüber selten genug, daher seien ihr die adventlichen Treffen umso lieber: „Ich darf sagen, das hat schon Tradition. Wenn ich abends nach Hause komme und durch unsere Straße fahre, freue ich mich immer über die geschmückten, beleuchteten Fenster.“

Dann nimmt sie ihre Gitarre zur Hand und stimmt ein Lied an, es handelt vom „stillen Wunder in der Nacht“ und dass die Menschen sich nicht verschließen sollen, es sei Weihnachtszeit. Und alle singen mit. „Ja, wir pflegen schon eine sehr harmonische Nachbarschaft hier im Schwelmstück“, erzählt Klaus Richard Müller (77), während die Kinder ein Bastelpaket hingestellt bekommen. Im Sommer gebe es natürlich ein Straßenfest, einmal im Jahr träfen sich die Nachbarn zum Brunch: „Besser kann es eigentlich nicht sein.“

Zwanglose Zusammenkünfte

Wie das Beisammensein verläuft und wie und ob die Nachbarn verköstigt werden, bestimmt der jeweilige Gastgeber. Nicht immer muss es etwas zu essen geben, nicht immer wird gesungen oder Theater gespielt, manchmal unterhalten sich die Anwohner bloß bei einem Glas Glühwein. „Und das sind nicht die schlechtesten Abende“, berichtet Katja Ruthmann. „Man geht hin, wenn man Zeit hat, und wenn man keine Zeit hat, geht man mal einen Abend nicht hin.“ Damit sie sich nicht tot laufen, werden die Zusammenkünfte bewusst zwanglos gehalten.

An einem Abend sehen die Anlieger ihre Nachbarn nicht, das ist der Heilige Abend. Er bleibt den Familien vorbehalten. An diesem Tag treffen sich die Schwelmstücker um 9.30 Uhr zum Frühstück vor Ruthmanns Garage. Joachim Osses spielt Trompete, Steffen Suitbert liest aus der Bibel vor. In wenigen Stunden kommt das Christkind, zum Schwelmstück kommt es ganz bestimmt, und was könnte schöner sein, als es gemeinsam mit all den Menschen zu erwarten, mit denen gemeinsam man schon seit 23 Tagen wartet.

Eine Tür geht auf, Mäntel fliegen auf die Treppe, gedämpfte Stimmen im Wohnzimmer, jemand liest eine Geschichte, sie heißt „Licht im Dunkeln“. Das stille Wunder in der Nacht geschehe nicht für einen allein, sagt Christiane Wenzel.