Hagen. . Wenn Gürkan Callar in die Türkei reist, dann hat er immer ein bisschen Zerrissenheit mit im Gepäck. Er ist das, was sie am Bosporus ein wenig abwertend ,Almanci’ nennen. Ein Deutschländer. Hier ein eingedeutschter Türke, dort ein eingetürkter Deutscher. Er könnte darüber jammern.
Doch für Callar ist der Wandel zwischen den Welten ein Projekt, für das er Verantwortung übernimmt. Der 28-Jährige koordiniert bei der Diakonie Mark-Ruhr den Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern, einem 40-köpfigen Pool, der in Hagen lebende Ausländer dabei unterstützt, kulturelle und soziale Barrieren aus dem Weg zu räumen.
Wenn Gürkan Callar über Integration spricht, ist das ungefähr so, als wenn Jürgen Klopp übers Pressing doziert. Er hat einen Plan. Er kann logisch erklären, warum sich ausländische Mitbürger in Hagen in bestimmten Quartieren tummeln. Seine Eltern wanderten einst über Rheinland-Pfalz nach Hagen ein und entschieden sich für den Stadtteil Eckesey. „Das Mietniveau ist niedrig und man findet viele Menschen, die die Heimatsprache sprechen“, sagt er. Es ist vor allem diese erste Einwanderergeneration, die Probleme bei der Integration hat.
Es sind Szenen wie diese, die die Sprach- und Kulturmittler auf den Plan rufen. Ein Schwarzafrikaner soll eine Behörde über seine Lebenssituation informieren. Die gestellten Fragen beantwortet der Mann, während er dabei auf den Boden blickt. Bei der Behörde deutet man die ungewöhnliche Körpersprache als Verlogenheit, was nicht stimmt, denn es gibt afrikanische Volksgruppen, die einem in der Hierarchie höher angesiedelten Menschen beim Gespräch nicht in die Augen blicken. Ein Sprach- und Kulturmittler wurde eingesetzt und löste die Situation.
Buntes kulturelles Leben
Rund 40 dieser Mittler hat Callar in seiner Kartei. Ehrenamtliche, deren fachlicher Hintergrund ihre Herkunft ist. Serben, Griechen, Türken, Syrer oder Inder. So bunt das kulturelle Leben in dieser Stadt ist, so breitgefächert ist die Kartei. „Wir helfen, wenn es Probleme bei Behördengängen, beim Arzt oder in der Schule gibt“, sagt Callar.
Viele Einrichtungen und Institutionen könnten sich teure Dolmetscher nicht leisten. Oder jene Dolmetscher übersetzen zwar die Sprache, entschlüsseln aber nicht die sozialen und kulturellen Unterschiede. „Bei vielen Klienten ist das eigentliche Problem nicht die Sprache oder ihre Hautfarbe, sondern ihre Identität.“
Umdenkprozess bei den deutschen Mitbürgern
Die Nachfrage in einer Stadt mit 20.000 ausländischen Mitbürgern ist riesig. Aber: Sie ist laut Callar und Sandro di Maggio (Einwanderungsberatung der Diakonie Mark-Ruhr) auch politisch bedingt. So sind es aktuell die Wünsche und Sorgen von Serben, Griechen und Syrern, die etwas in den Vordergrund rücken.
„Die erste Generation voll zu integrieren“, vermutet Gürkan Callar, „das werden wir wahrscheinlich nicht mehr schaffen. Aber in der zweiten, dritten und vierten gibt es trotz der bereits angedeuteten Probleme auch große Chancen.“
Dazu gehört dann auch ein Umdenkprozess bei den deutschen Mitbürgern. Zu verstehen, dass Parallelgesellschaften entstehen, weil ihr Umfeld etwa kulturelle Differenzen mit sozialen Problemen vertauscht, ist ein erster wichtiger Schritt hin zu mehr Integration.