Hagen-Eilpe.. Die 19-jährige Hagenerin Alev Tas hat ihre Abiturprüfung mit der Note 1,5 bestanden. Der Weg dahin war nicht einfach. Die stille und unauffällige Tochter einer Migrantenfamile erhielt nach der Grundschule nur eine Empfehlung für die Hauptschule. Doch mit viel Fleiß schaffte sie den Sprung aufs Gymnasium - und will nun Jura studieren.

Alev Tas (19) brachte alle Voraussetzungen für eine durchschnittliche Schullaufbahn mit. Sie war schweigsam und unauffällig, sprach nicht gut Deutsch und bekam nach der Grundschule von ihrem Klassenlehrer eine Empfehlung für die Hauptschule ins Zeugnis geschrieben.

Jetzt hat sie ihr Abitur mit der Gesamtnote 1,5 abgeschlossen.

Der Bildungsweg von Alev Tas ist nicht exemplarisch für die Kinder von Einwanderern. Wäre er das, bräuchten wir uns über die Integration von Migranten keine Gedanken zu machen. Nein, Alev Tas hat es trotz der Widrigkeiten, die der Eingliederung von Ausländern im Wege stehen, geschafft, sich eine glänzende Ausgangsposition für das kommende Berufsleben zu verschaffen. „Ich möchte Jura studieren“, sagt sie selbstbewusst.

Zu Hause wird bis jetzt Türkisch gesprochen

Dass Migrantenkinder von ihren Grundschullehrern mitunter falsch eingeschätzt werden, komme wahrscheinlich häufig vor, glaubt Jürgen Eckervogt, Leiter der Gesamtschule Eilpe, an der Alev ihre Reifeprüfung mit so viel Bravour bestanden hat. Eine Studie habe ergeben, dass deutsche Akademikerkinder bei gleichen Noten sechsmal häufiger eine Empfehlung fürs Gymnasium bekämen als Einwandererkinder. „Die Lehrer sind offensichtlich der Meinung, dass den Schülern mit Migrationshintergrund der häusliche Hintergrund fehlt, um auf dem Gymnasium bestehen zu können.“

Alev kam im Alter von sieben Jahren aus einem Dorf in Anatolien nach Hagen. Als Kind habe sie nahezu ausschließlich mit anderen Einwandererkindern gespielt, erinnert sie sich. Und zu Hause wird bis jetzt Türkisch gesprochen.

"Fleiß zahlt sich aus"

Wenn Alev heute eine Hausaufgabe, für die sie in der 5. Klasse ihre Wünsche fürs Leben aufschreiben musste, aus dem Regal nimmt und noch einmal durchliest, dann erschrickt sie erneut über die vielen sprachlichen Mängel, die der Aufsatz enthielt: „Und doch war es für mich das Jahr der Wende.“

Denn nach dem Wechsel zur Gesamtschule machte sich Alev eine vermeintlich typisch deutsche Stärke zu eigen: „Fleiß zahlt sich aus.“ Mit Fleiß verbesserte sie ihre Noten, mit den Noten steigerte sie ihr Selbstbewusstsein, mit dem gestiegenen Selbstbewusstsein wurden aus den vormals ausreichenden nun gute bis sehr gute Leistungen. Auch ihr Freundeskreis veränderte sich, sie unterschied nicht mehr zwischen Türken und Deutschen: „Das musste ich erst lernen“, gibt sie zu. „Ich musste lernen, mich nicht abzusondern. Ich musste mich integrieren. Inzwischen ist das für mich selbstverständlich.“

Chinesisch als drittes Abiturfach

Ihre Leistungskurse waren Mathematik und (deutsche) Geschichte, aber ihre eigentliche Begabung sind Sprachen. Alev beherrscht nicht nur Deutsch und Türkisch, sondern auch Englisch, Französisch, Latein und Chinesisch. Die fernöstliche Sprache fand in diesem Jahr erstmals Eingang ins Zentralabitur. Alev hatte Chinesisch als drittes Abiturfach belegt und schloss mit einer 1 ab. Sie stützt sich auf eine Art fotografisches Gedächtnis, selbst die schwierigsten Schriftzeichen und Vokabeln vergisst sie nie, weil sie sich stets deren Seitenzahl und ihre Position im Kapitel miteinprägt.

Es hänge von der persönlichen Grundeinstellung ab, was man aus seinem Leben mache, findet Alev. Nach dem Studium möchte sie für ein Unternehmen in der freien Wirtschaft arbeiten – am liebsten für eines, das in China tätig ist.