Hagen. . Die Hagener Philharmoniker präsentieren zum Auftakt der neuen Sinfoniekonzert-Saison ein außergewöhnliches Beethoven-Programm. Das Orchester unter Leitung von Generalmusikdirektor Florian Ludwig begeisterte das Publikum ebenso wie Sopranistin Sibylla Duffe.
Freiheit und Moral sind zentrale Begriffe im Schaffen und in der Biographie Ludwig van Beethovens. Die Hagener Philharmoniker unter GMD Florian Ludwig haben jetzt zum Auftakt der neuen Sinfoniekonzert-Saison mit einem reinen Beethoven-Programm deutlich gemacht, wie diese bürgerlichen Werte emotional erfahrbar werden können. Das Publikum in der Hagener Stadthalle bejubelte ein außergewöhnliches Konzert mit vielen Bravorufen.
Beethovens Schauspielmusik zu Goethes Trauerspiel „Egmont“ wird abgesehen von der Ouvertüre selten aufgeführt – was schade ist. In dichter Verflechtung von Sprache, Gesang und Klang arbeitet Florian Ludwig heraus, wie die Komposition das Scheitern des niederländischen Freiheitshelden reflektiert und auf eine neue zusätzliche Interpretations-Ebene hebt. Sibylla Duffe singt die beiden Klärchen-Lieder mit mädchenhaft-innigem Sopran.
Der Sprecher ist ein großartiger Sprachkünstler
Sprecher Lutz Lansemann ist ein großartiger Sprachkünstler, der – anfangs noch durch schlecht eingestellte Tontechnik behindert – den tragischen Helden ganz nah ans Heute heranholt, der mit konzentrierter Intensität zeigt, dass dessen Gewissenskonflikt zwischen Rebellion und Königstreue auch uns etwas angeht – und der schließlich kurz vor seiner Hinrichtung zum Aufstand aufruft.
Diese Revolution ist vielfältig klingend präsent in Beethovens Partitur: im Marsch, in den scharfen Trompeten-Signalen und dem aufrüttelnden Klang der Ferntrommel. Es sind die Töne der französischen Revolutionsmusiken, die hier anklingen: vorwärtstreibende Rhythmen, hymnische Fanfaren und packende Melodielinien.
Das Spiel mit dem schlanken Vibrato ist nicht ohne Gefahr
Florian Ludwig nutzt die Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis, um jede romantische Weichzeichnung zu vermeiden: Trompeten und Hörner spielen auf Naturtoninstrumenten, die Violinen sind einander gegenüber platziert, so wie es zu Beethovens Zeit Norm war. Dadurch werden schöne Stereoeffekte hörbar.
Allerdings ist das Spiel mit schlankem Vibrato gefährlich, das zeigt sich in der Egmont-Ouvertüre, wo alle noch ein wenig nervös sind: Jede Unsauberkeit fällt auf, und die Streicher können kaum jenes strahlende Leuchten erzielen, welches das Siegesmotiv so populär macht. Davon abgesehen spielen die Philharmoniker ungemein engagiert und die Holzbläser glänzen mit durchweg delikaten Soli.
Beethovens siebte Sinfonie wird üblicherweise nicht in die Reihe ihrer heroischen Vorgänger gestellt, sondern wegen ihrer festlichen Atmosphäre als eine Art Napoleon-Befreiungs-Sinfonie gewertet. Florian Ludwig verweigert der „Siebten“ in seiner Interpretation jedoch diese Jubelstimmung und knüpft direkt an die rebellische Egmont-Musik an: Er setzt auf einen recht sperrigen Puls statt auf tänzerische Raffinesse, und das erweist sich wenigstens im ersten Satz als schade. Der erklingt wild und aufgeregt, angefeuert von den schneidenden Signalen der Naturtonbläser. Das ist aber zu wenig. Denn die Transparenz von Beethovens Stimmführung, seine poetische Klangsinnlichkeit gehen dabei verloren.
Im Mittelpunkt der Interpretation steht für Florian Ludwig stattdessen der große zweite Satz als wunderbar ergreifender Trauermarsch, der mit seinen geschickten dynamischen Differenzierungen die Fern-Nah-Effekte einer tatsächlichen Prozession erwirkt: Der Preis der Freiheit ist die Trauer. Nicht um Fürsten oder Potentaten, sondern um jene Bürger, die vergeblich für ihre Ideale eintreten.