Hagen. Bei den Musikfesten des 19. Jahrhunderts war es selbstverständlich, dass Chorklang neben Sinfonien stand und Uraufführungen neben etablierten Werken. An diese schöne Tradition knüpft der Hagener GMD Florian Ludwig mit dem Abschlusskonzert des 2. Hagener Chorfestes an – eine großartige Gemeinschaftsleistung, die vom Publikum mit vielen Bravorufen gefeiert wurde.
Bei den Musikfesten des 19. Jahrhunderts war es selbstverständlich, dass Chorklang neben Sinfonien stand und Uraufführungen neben etablierten Werken. An diese schöne Tradition knüpft der Hagener GMD Florian Ludwig mit dem Abschlusskonzert des 2. Hagener Chorfestes an – eine großartige Gemeinschaftsleistung, die vom Publikum mit vielen Bravorufen gefeiert wurde.
Inzwischen ist sinfonische Chormusik nur noch selten in den Sinfoniekonzerten zu hören. Das will Florian Ludwig ändern, um dem Publikum diese Schätze der Literatur wieder gegenwärtig zu machen. Beethovens 4. Klavierkonzert und seine Chorfantastie, dazu zwei Chorsätze von Wolfram Buchenberg (geb. 1962), dem Komponisten für Hagen in dieser Saison: Neben den Hagener Philharmonikern waren sechs Gesangssolisten des Theaters und sechs Chöre aus der Region aktiv, dazu Sängerinnen und Sänger aus weiteren. Auch das ist ein Ziel Florian Ludwigs: die Chorszene der Region stärker zu vernetzen und in gemeinsame Projekte einzubinden.
So beglückend diese Massen-Musikerlebnisse sind, so anstrengend sind sie. Denn durch die notwendigen Umbauten mit dem Flügel zog sich das Programm erheblich in die Länge, eine Situation, die einige junge Herren des beteiligten Schulchores von der Auftrittsreife her völlig überforderte.
Wolfram Buchenberg ist ein Komponist, der gern und begabt für Chöre schreibt, seine Sätze liegen gut und klingen fantastisch. Sein „Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi“ ist ein tief empfundenes Werk, das mit kirchentonalen Intervallen und impressionistischer Farbigkeit arbeitet und Klangwirkungen wie die hohen Lagen der Frauenstimmen oder das Flötengeläut gekonnt einsetzt, um Atmosphäre zu schaffen.
Mündet der „Sonnengesang“ in ekstatische Mystik, so ist „Im Lichtland des Himmels“ nach einem Text des Pharaos Echnaton eher Anrufung als Meditation. Es gibt richtig aufregende Chor-Effekte, und der pochende Puls sowie das Schlagwerk erzeugen eine Bewegungsdynamik, die dem Kreislauf der Sonne nachempfunden ist. Mezzosopranistin Kristine Larissa Funkhauser hat dabei die Funktion eines Erzählers wie in den Oratorien.
Als Ludwig van Beethoven im Alter von 22 Jahren nach Wien kam, konkurrierten dort mehr als 300 Berufspianisten um Gagen und Karrieren. Beethoven hat sich diesem Virtuosenzirkus effektvoll verweigert, und noch wirkungsvoller bricht die wunderbare Pianistin Ragna Schirmer mit einer tastendonnernden Aufführungstradition der Klavierkonzerte. Ragna Schirmer zeigt hingegen das 4. Klavierkonzert als ganz intimes Stück Musik mit unglaublich singendem Ton und einer so dichten und dabei so intensiv auf die Kommunikation mit dem Orchester angelegten Konzentration, dass es bereits nach dem ersten Satz Zwischenbeifall gab.
Besonders der langsame Satz ist in dieser Interpretation berückend, weil Ragna Schirmer die herben Rezitative sensibel immer wieder ganz unerwartet ins zärtliche Lied umschlagen lassen kann. Auch im Finale ist die perlend-geläufige Virtuosität nicht Selbstzweck, sondern steht im Dienst eines tänzerischen Pulses mit herausragender Piano-Kultur.
Ludwig dirigiert die Partitur nach den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis, die Barockpauke kommt zum Einsatz, die Streicher spielen mit schlankem Vibrato, die Hörner und Trompeten auf Naturtoninstrumenten.
Beethovens Chorfantasie ist bereits ein Musikfest in sich: die erste Verbindung von Sinfonik, Klavierfantasie und Kantate in der Geschichte. In Hagen standen dabei etwa 230 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne und steigerten das Werk zu einer ergreifenden Hymne, zeigten, wie Beethoven das Singen als höchste Vollendung des Musizierens begreift: „Wenn der Töne Zauber walten und des Wortes Weihe spricht, muss sich Herrliches gestalten, Nacht und Stürme werden Licht.“