Hagen. . Der Hagener Getränkehändler Bier Schneider wird selbst geschluckt: Die Dortmunder Firma Getränke Weidlich, eine Tochter der Radeberger-Gruppe, übernimmt Kundenbeziehungen und Warenbestand.

Der Kneipen-Durst wurde sein großes Geschäft. Bei fast jedem Schluck am Tresen klingelte auch die Kasse von Wolfgang Schneider (61). In den 90er Jahren mutierte der Hagener Unternehmer zum drittgrößten Getränkelieferanten Deutschlands. Jetzt hat sich der Bier-König selbst schlucken lassen.

Leiser Abgesang

Dies ist ein leiser Abgesang: Bier Schneider soll es in der bisherigen Form nicht mehr geben. Nur noch bis zum 8. September wird die Auslieferung der Getränke aus dem Lennetal erfolgen, ab dem 10. September übernimmt Getränke Weidlich aus Dortmund die Belieferung der Schneider-Kunden. Das Ende einer kurvigen Hagener Erfolgsgeschichte, die 1925 begann, als Ernst Schneider einen kleinen Bierverlag gründete, scheint eingeläutet.

„Wir haben die gesamten Kundenbeziehungen und den gesamten Warenbestand von Bier Schneider übernommen“, bestätigt Matthias Steens (41), kaufmännischer Geschäftsführer von „Getränke Weidlich“. Die Firma (Werbe-Slogan: „Ihre Gastronomie ist unser Bier!“) ist nach eigenen Angaben nicht nur Marktführer in Dortmund, sondern auch eine der größten Getränkefachgroßhandlungen im Ruhrgebiet. „Insofern“, sagt Geschäftsführer Steens, „glauben wir, dass das mit Bier Schneider sehr gut passt.“

Radeberger-Tochter

Getränke Weidlich ist ein rechtlich selbstständiges Tochterunternehmen der Radeberger-Gruppe. Unter einem Dach tummeln sich dort so bekannte Marken wie Dortmunder Actien- und Kronenbier, das Erfrischungsgetränk Bionade und Selters-Mineralwasser.

1982 hatte Wolfgang Schneider mit der „Bier Schneider GmbH“ die Keimzelle seines späteren Großunternehmens gelegt. Aus dem „Bierverleger von gestern“ wurde „ein Dienstleistungsunternehmer“. Im 1991 neu gebauten Logistikzentrum im Lennetal, auf 62.000 Quadratmetern, stapelten sich eine halbe Million Kisten. Er bezeichnete es gern als die „Getränke-Drehscheibe für Westfalen“.

Einst 655 Millionen Mark Umsatz 

Noch im Jahr 2000 erzielte die Bier-Schneider-Gruppe mit 850 Mitarbeitern einen Umsatz von 655 Millionen Mark.

Doch zum 1. Juli 2001 schied Firmenchef Wolfgang Schneider aus den von ihm gegründeten Unternehmen aus. Offiziell hatte es geheißen, „EDV-Probleme“ hätten die Getränke-Gruppe in Liquiditäts-Schwierigkeiten gebracht. Die Veltins-Brauerei aus Grevenstein übernahm Schneiders kompletten Geschäftsanteile. 2002 wurde mit der Bier Schneider e.K. (eingetragener Kaufmann) neu durchgestartet.

Haft auf Bewährung

Derweil hatten sich über Wolfgang Schneider bereits dunkle Wolken zusammengebraut. Stichwort: „Schwarzbier-Connection“. Wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Höhe von 1,8 Millionen Euro mit Haftbefehl gesucht, befand sich der Unternehmer auf der Flucht. 2004 musste Bier-König Schneider den weichen Thron gegen die harte Anklagebank tauschen. Er kam mit zwei Jahren Haft (auf Bewährung) glimpflich davon.

Zusammen mit Sohn Tim Oliver (35), dem nachgesagt wird, dem süßen Leben zugeneigter zu sein als dem bitteren Biergeschäft, wird Wolfgang Schneider nun für Getränke Weidlich „als Berater“ tätig.