Hagen. . Liberale starb in Hagen im Alter von 94 Jahren. Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von 1969 bis 1979. Gelebte Glaubwürdigkeit zeichnete sie aus. Einen Kommentar zu aktuellen Vorgängen bei der FDP gab es von ihr nie.

Bei ihr beißt selbst Herbert Wehner (1906-1990) auf Granit. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, verschrien als verbaler Rüpel, holt sich bei Liselotte ­Funcke in ihrer Zeit als Vizepräsidentin, in der Zeit von 1969 bis 1979, mehr als einmal einen Ordnungsruf ab. Die Liberale traut sich was, und der Sozialdemokrat zollt ihr Anerkennung: „Frau Kollegin Funcke ist eine Respektsperson.“

Mit Beleidigungen und Beschimpfungen lernt die Freie Demokratin im hohen Amt umzugehen. Nichts bringt sie aus der Ruhe. Wehrhaft stemmt sie sich der Männerwelt in der Politik entgegen. Im Rückblick schmunzelt sie über die Skandale von einst. So der Auftritt der SPD-Abgeordneten Lenelotte von Bothmer (1915-1997) am 15. April 1970 im Bundestag im beigen Hosenanzug.

Die Aufregung in der Republik über die Premiere der Volksvertreterin im Beinkleid ist groß. Von einem „unanständigen würdelosen Weib“ und „von schwindender Moral der Frau“ ist die Rede. Und Liselotte Funcke lächelt verschmitzt: „Ich habe sie selbst dazu ermuntert. Die Wellen schlugen damals hoch.“ Es ist eine der Anekdoten, an die sie sich im hohen Alter gerne erinnert.

Große Dame des deutschen Liberalismus

Zur aktuellen Politik, zum Niedergang der FDP, äußert sie sich nicht. Niemals. Ganz anders als der SPD-Weise Helmut Schmidt, der häufig Ratschläge erteilt, kommentiert sie die Vorgänge nicht. Ihr Standpunkt: „Jede Generation muss sich die eigene Zukunft selbst gestalten.“ Enttäuscht ist die große alte Dame des deutschen Liberalismus nach ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete, von 1961 bis 1979, von der Entwicklung der Streitkultur. Sie vermisst amüsante und heftige Auseinandersetzungen: „Es gibt keine Rededuelle mehr. Die Spontaneität fehlt. Es ist alles braver.“

Liselotte Funcke an ihrem 90. Geburtstag. Sie bleibt als Hagener Ehrenbürgerin in guter Erinnerung. Foto: Fiebig
Liselotte Funcke an ihrem 90. Geburtstag. Sie bleibt als Hagener Ehrenbürgerin in guter Erinnerung. Foto: Fiebig © WP Hagen

Sie bleibt es in ihrer politischen Arbeit nicht. Zielstrebig und konsequent verfolgt sie als Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, sie ist Nachfolgerin von Heinz Kühn, von 1981 bis 1991 ihre Forderungen. So macht sich Liselotte Funcke für den Deutschunterricht ausländischer Mütter stark. Ihr Gespür für Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit treibt sie an.

Ihre gelebte Glaubwürdigkeit und ihre Sachlichkeit schaffen bei den Menschen Vertrauen. Bei Helmut Kohl nicht: „Kohl hat nicht einen meiner 16 Briefe beantwortet.“ Am 15. Juli 1991 tritt sie von ihrem Amt zurück. Als „Mutter der Türken“ genießt die unbeugsame Politikerin hohe Anerkennung. In Ausländerfragen ist sie eine gern gefragte Expertin. Ihrer Heimatstadt Hagen und der Region bleibt sie bei allen Verpflichtungen stets verbunden, schreibt Bücher über die Stadtgeschichte und stellt sich in der Evangelischen Stiftung Volmarstein in den Dienst der Behindertenarbeit.

Politische Wurzeln in der Volmestadt Hagen

Liselotte Funcke beim Empfang an ihrem 90. Geburtstag im Hagener Rathaus neben FDP-Kollege Guido Westerwelle.
Liselotte Funcke beim Empfang an ihrem 90. Geburtstag im Hagener Rathaus neben FDP-Kollege Guido Westerwelle. © WP Michael Kleinrensing

An der Volme liegen ihre politischen Wurzeln, hier schließt sie sich 1946 der FDP an: „Ich habe mich gefragt: Was wird aus einem Land, das so eine Niederlage verkraften muss? Ich hatte das Gefühl, wir Jüngeren dürfen die Alten nicht alleine lassen.“ Ihr Name und der ihres Vaters und Unternehmers Oskar ­Funcke (1885-1965) stehen mit Willi Weyer (1917-1987) für erstes liberales Engagement auf kommunaler Ebene.

Neben der politischen Arbeit studiert sie Betriebswirtschaft, arbeitet als Prokuristin im Familienbetrieb, der Schraubenfabrik und Gesenkschmiede Funcke & Hueck. In ihrem Tagebuch fehlt der 23. Mai 1949, Gründungstag der Bundesrepublik. Ihre Erklärung: „Man war mit so vielen Dingen beschäftigt.“ Bis zum Tod. - Liselotte Funcke ist am Mittwoch mit 94 Jahren in Hagen gestorben.

Bilder aus dem Leben von Liselotte Funcke

Die große alte Dame der FDP hat 94 Jahre gelegt. Bilder erinnern an ihr Leben.
Die große alte Dame der FDP hat 94 Jahre gelegt. Bilder erinnern an ihr Leben. © Michael Kleinrensing
Liselotte Funcke ist tot. Ein Bild aus jungen Jahren.
Liselotte Funcke ist tot. Ein Bild aus jungen Jahren. © WAZ-Archiv
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Liselotte Funcke war 1976 Bundestagsvizepräsidentin.
Liselotte Funcke war 1976 Bundestagsvizepräsidentin. © WAZ-Archiv
Liselotte Funcke legt am 28. November 1979 im Landtag in Düsseldorf neben dem Präsidenten des nordrhein-westfaelischen Landtags, Wilhelm Lenz, ihren Amtseid als Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen ab.
Liselotte Funcke legt am 28. November 1979 im Landtag in Düsseldorf neben dem Präsidenten des nordrhein-westfaelischen Landtags, Wilhelm Lenz, ihren Amtseid als Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen ab. © WAZ-Archiv
Die damalige Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Liselotte Funcke, stellt am 17. November 1986 in Bonn einen Bericht vor.
Die damalige Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Liselotte Funcke, stellt am 17. November 1986 in Bonn einen Bericht vor. © WAZ-Archiv
Liselotte Funcke nach einer Grubenfahrt.
Liselotte Funcke nach einer Grubenfahrt. © WAZ-Archiv
Die Hagener FDP-Politikerin Liselotte Funcke vor ihrem 90. Geburtstag mit Schwester Gerda (88).
Die Hagener FDP-Politikerin Liselotte Funcke vor ihrem 90. Geburtstag mit Schwester Gerda (88). © Björn Josten
Mit der Großen Friedrich Harkort-Medaille in Gold, der höchsten Auszeichnung der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen, zeichnete SIHK-Präsident Harald Rutenbeck die Staatsministerin a. D. Liselotte Funcke aus.
Mit der Großen Friedrich Harkort-Medaille in Gold, der höchsten Auszeichnung der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen, zeichnete SIHK-Präsident Harald Rutenbeck die Staatsministerin a. D. Liselotte Funcke aus. © SIHK
Liselotte Funcke aus Hagen stellt ihr neues Buch vor: Wo unsere Großeltern einkauften.
Liselotte Funcke aus Hagen stellt ihr neues Buch vor: Wo unsere Großeltern einkauften. © Sandra Krosa
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Der 90. Geburtstag der Hagener Liselotte Funcke (FDP) am 31. August 2008
Der 90. Geburtstag der Hagener Liselotte Funcke (FDP) am 31. August 2008 © Michael Kleinrensing
An ihrem 90. Geburtstag wird die FDP-Politikerin zur Ehrenbürgerin von Hagen ernannt. Liselotte Funcke trägt sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Im Hintergrund: Oberbürgermeister Peter Demnitz, Dr. Hans-Dietrich Genscher (FDP), Dr. Guido Westerwelle (FDP), Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP), Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU) und Otto Graf Lambsdorff (FDP).
An ihrem 90. Geburtstag wird die FDP-Politikerin zur Ehrenbürgerin von Hagen ernannt. Liselotte Funcke trägt sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Im Hintergrund: Oberbürgermeister Peter Demnitz, Dr. Hans-Dietrich Genscher (FDP), Dr. Guido Westerwelle (FDP), Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP), Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU) und Otto Graf Lambsdorff (FDP). © Dietmar Wäsche
Liselotte Funcke, die sich hier bei den Gratulanten im Rathaus Hagen bedankt, an ihrem 90. Geburtstag im August 2008.
Liselotte Funcke, die sich hier bei den Gratulanten im Rathaus Hagen bedankt, an ihrem 90. Geburtstag im August 2008. © Dietmar Wäsche
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© WP Michael Kleinrensing
Dr. Guido Westerwelle,  FDP-Mitglied des Bundestags, gratuliert Liselotte Funke auf dem Empfang im Hagener Rathaus zum 90. Geburtstag.
Dr. Guido Westerwelle, FDP-Mitglied des Bundestags, gratuliert Liselotte Funke auf dem Empfang im Hagener Rathaus zum 90. Geburtstag. © Dietmar Wäsche
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FDP-Politikerin Liselotte Funcke an ihrem 90. Geburtstag mit Guido Westerwelle.
FDP-Politikerin Liselotte Funcke an ihrem 90. Geburtstag mit Guido Westerwelle. © Dietmar Wäsche
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Liselotte Funcke 2009 in ihrem Wohnzimmer bei der Arbeit zu ihrem neuen Buch über den alten Hagener Einzelhandel.
Liselotte Funcke 2009 in ihrem Wohnzimmer bei der Arbeit zu ihrem neuen Buch über den alten Hagener Einzelhandel. © Andy Spyra
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